Category: | Interview - Internet | Publish date: | 4/1/2000 |
Source: | Waste of Mind (April 1, 2000) (Germany) | With: | Brian Baker |
Synopsis: | Interview with Brian Baker by German Ezine Waste of Mind. The interview is mainly about The New America, playing (German) shows, and the hardcore scene. |
Bad Religion - Interview with Brian
by Titi Wiesner, Robin Brauer, Jana Emmerich
wasteofmind.de, April 2000
Viele haben sicherlich schon einmal darüber nachgedacht, was sie ihren Enkeln einst mit stolzgeschwellter Brust aus ihrem Leben erzählen können. Die einen werden Weltreisen gemacht haben, andere wichtige Bücher geschrieben oder Auszeichnungen erhalten haben, wieder andere mit sportlichen Erfolgen prahlen. Ich werde meinen Kleinen dann darüber berichten, dass ich Bad Religion im winzigen Pool-Club in Berlin-Tempelhof gesehen habe. Sicher, sie haben dort nur geprobt. Zudem werden meine Enkel, sollte ich denn jemals welche haben, den Pool-Club bestimmt nicht kennen, eventuell noch nicht mal Bad Religion. Meiner Begeisterung wird das aber bestimmt nicht schaden. Im Anschluss an die etwa einstündige Probe, die übrigens aufgrund unzähliger Verspieler und Missverständnisse recht unterhaltsam anzuschauen war (auch Legenden sind nicht unfehlbar), hatten wir das Glück, mit Brian Baker zu sprechen, der bereits durch sein Mitwirken bei Minor Threat zur Legende in Hardcore-Kreisen wurde und nun die sechs Saiten bei Bad Religion in der Hand hält.
Seit Eurer letzten Veröffentlichung "No Substance" sind über zwei Jahre vergangen, für Bad Religion-Verhältnisse eine recht lange Zeit. Wieso haben die Arbeiten an "The New America" so lange gedauert?
Brian: Tja, unsere letzte Platte haben wir in etwa drei Stunden geschrieben. Diesmal wollte vor allem Greg viel mehr Zeit in unser neues Album investieren und es besser als das letzte machen, das, seien wir mal ehrlich, einfach schlecht ist. Wir wollten nicht noch eine schlechte Platte machen, also haben wir uns diesmal sehr viel Zeit gelassen.
Was gefällt Dir denn an Eurer letzten Platte nicht?
Brian: So etwa die Hälfte der Songs. Ein paar Songs waren ja ganz gut, aber insgesamt waren wir viel zu faul, wir dachten, wir gehen jetzt mal schnell ins Studio und nehmen eine gute Platte auf, was natürlich nicht so einfach funktioniert. Diesmal haben wir uns wirklich Mühe gegeben, schließlich feiert Bad Religion in diesem Jahr auch zwanzigjähriges Jubiläum, und wenn man so lange dabei ist, muss man einfach Sachen veröffentlichen, die es wert sind gehört zu werden. Sonst sollte man sich lieber auflösen.
Und mit der neuen Platte seit Ihr rundum zufrieden?
Brian: Ja, absolut. Es gibt vielleicht zwei Songs, die ich nicht mag, der Rest gefällt mir wirklich sehr.
Welche beiden Songs sind das?
Brian: Sag ich nicht, dass müsst ihr schon selber rausfinden.
Die neue Platte wurde produziert von Todd Rundgren und gemischt von Bob Clearmountain. Diese beiden haben vorher mit Leuten wie Meat Loaf, den Rolling Stones und Bruce Springsteen gearbeitet. Wie kam diese auf den ersten Blick etwas seltsame Konstellation zustande?
Brian: Todd kennen wir schon recht lange, und er war eigentlich dafür verantwortlich, dass Greg mit Singen angefangen hat. Als Greg ein Kind war, war Utopia die erste Band, mit der er sich wirklich auseinandersetzte. Danach wurde Rundgren zu einer Art Mentor für Greg. Davon ganz abgesehen hat Todd sein Studio auf Hawaii, und das war auch ein nicht ganz unwesentlicher Punkt. Oder wie würdest Du reagieren, wenn Dich jemand fragt, ob Du nicht Lust hättest, mal eben für acht Wochen nach Hawaii zu fliegen? Zudem profitieren wir einfach von ihrer riesigen Erfahrung. Außerdem: Habe ich Hawaii schon erwähnt? Ich glaube, dass war auch ein Grund....und Hawaii natürlich...
Um ehrlich zu sein, finde ich dass Euer neues Album ein wenig...
Brian:...kommerziell klingt?
Nein, nicht kommerziell, aber die Produktion ist sehr clean und leise ausgefallen. Was mich vor allem stört, ist die Tatsache, dass insbesondere Drums und Gitarren sehr im Hintergrund stehen. Mir fehlt ein wenig die Energie und Rauheit früherer Alben.
Brian: Ehrlich? Sorry, ich empfinde das nicht so. Vielleicht hast Du eine falsche Kopie vom Album, oder Sony hat in Europa Mist gebaut.
Der Titeltrack des neuen Albums "New America" klingt ein wenig wie eine Hymne. Ist das beabsichtigt?
Brian: Yepp, Greg hatte so was im Kopf, als er den Song geschrieben hat. Es passt ja auch zu dem Text und dem ganzen drumherum. Außerdem hat Greg so viele Einflüsse aus seinem Leben, die er ständig verarbeitet....wusstet ihr zum Beispiel, dass er als Kind im Kirchenchor gesungen hat? Schwer vorstellbar, aber wahr.
Besonderes Merkmal von Bad Religion waren schon immer die Texte. Ist Greg eigentlich völlig allein dafür verantwortlich?
Brian: Ja, eigentlich schon. Obwohl auf unserem neuen Album der Text zu Believe It nicht von Greg, sondern von Brett ist. Glaube ich zumindest, ich bin mir da nicht so ganz sicher.
Und was ist mit dem Rest der Band? Habt Ihr nichts zu den Texten zu sagen, gibt es keine Diskussionen?
Brian: Doch, klar, wir haben immer große Diskussionen. Aber der Hauptgrund, warum Greg alle Texte schreibt, ist der, dass ich nicht meine Worte in den Mund von jemand anders legen will. Wir sprechen natürlich alles durch, schließlich möchte ich auch nicht, dass er über Sachen singt, mit denen ich nicht übereinstimme. Normalerweise kommt Greg mit seinem neuen Zeug zu uns, und dann gehen wir es zusammen durch und sagen unsere Meinung dazu.
Wie viel Einfluss wollt ihr eigentlich auf Euer Publikum haben? Oder, wie viel Einfluss kann Punkrock heutzutage überhaupt auf das Publikum haben?
Brian: Vielleicht hören die Leute unsere Songs und fangen danach an, über Dinge nachzudenken, die vorher noch nicht in ihrem Kopf waren. Wir wollen Denkanstöße geben. Es gibt da schließlich so den einen oder anderen kleineren Fehler in unserem System, und es ist einfach schön, wenn zum Beispiel ein 14-jähriger nach dem Hören der Songs sagt: "Hey, das ist soundso, darüber wusste ich ja noch gar nichts!" Wir wissen aber sehr wohl, dass man nicht allzu viel ändern kann, und "No Bad Religion song can make your life complete".
Der Titel Eures Albums sollte eigentlich zuerst "The last Word" sein. Als ich das las, fürchtete ich schon, dass dies Euer letztes Album sein könnte. Was hatte es mit diesem Titel auf sich?
Brian: Der eigentliche Grund für den Titel "Last Word" war, dass dieses Album uns ja unendlich viel Zeit gekostet hat und wir schon dachten, dass wir es nie veröffentlichen würden. Schließlich wollten wir es am 31. Dezember 1999 veröffentlichen, und es sollte so eine Art letzter Beitrag zum letzten Jahrhundert sein. Das haben wir aber nicht rechtzeitig geschafft, also mussten wir den Titel noch einmal ändern. Schließlich macht es nicht viel Sinn, im Mai 2000 ein Album zu veröffentlichen, dass "Last Word" heißt.
Alle Mitglieder von Bad Religion leben überall verstreut in den USA und Kanada. Ist das eigentlich ein großer Nachteil, oder eher sogar ein Vorteil, weil Ihr Euch nicht auf die Nerven gehen könnt?
Brian: Es ist ein großer Vorteil. Okay, für die Shows, die wir jetzt spielen, ist es erst mal ein Nachteil, weil wir uns seit vier Monaten nicht mehr gesehen haben und unser Zusammenspiel noch nicht so gut klappt, wie es eigentlich sollte. Davon abgesehen kann ich Dir aber sagen, dass wir kein Wort miteinander sprechen würden, wenn wir alle im selben Haus leben würden. Ich meine, ich mag diese ganzen Typen eigentlich auch gar nicht, ich hab schließlich meine eigenen Freunde. Naja, gut, vielleicht mag ich Jay ein ganz bisschen, vielleicht auch die anderen. Aber nicht sehr....Nein, mal ehrlich: Dadurch, dass wir uns nicht ständig sehen, bleibt die Sache lebendig und macht weiterhin Spaß.
Wie bereits vor vier Jahren spielt Ihr eine kleine Club-Tour in Deutschland. Ist das ein Geschenk an die Fans?
Brian: Wir sind hauptsächlich hier, um die ganze Promotion für das neue Album zu machen, Interviews wie dieses hier und dann den ganzen Mist wie MTV, Viva und so. Und wir haben uns halt gesagt, wenn wir sowieso hier sind, können wir auch ein paar Shows in kleineren Locations spielen, als wir es normalerweise tun. Es macht einfach riesigen Spaß, in kleinen Clubs zu spielen. Im Sommer, wenn die reguläre Tour beginnt, spielen wir wieder in den großen Hallen und auf Festivals, und ehrlich gesagt würde ich nie im Leben auf ein Festival gehen, es sei denn, dass ich dort spielen muss oder mir jemand eine Million Dollar dafür gibt...na ja, vielleicht würde ein bisschen weniger auch schon reichen...obwohl.....eine Million Dollar ist ein ganz vernünftiger Preis, wenn mir jemand diese Summe bietet, würde ich auch mal ein Festival besuchen.
Es ist doch einfach schrecklich, oder etwa nicht? Da sind 35000 Leute, und wenn Du oben auf der Bühne stehst, überblickst Du nichts mehr. Man hat keine Ahnung, wer echter Fan, Fotograf oder sonstwas ist, Du weißt einfach nicht, wer da vor der Bühne steht. Deshalb liebe ich diese Clubshows, sie sind zudem eine gute Werbung, und wenn die Besucher dann auch noch Spaß haben, ist alles perfekt. Wenn es nach mir ginge, würden wir nur solche Gigs spielen, aber damit alle zufrieden sind müssten wir dann in jeder größeren Stadt fünf Konzerte spielen, und das geht halt leider nicht.
Mal ein wenig Kritik: Die Tickets für die Shows kosten 35DM - eine ganze Menge Geld für ein Punkkonzert, wie ich finde. Habt Ihr Einfluss auf Eure Ticketpreise?
Brian: Auf dieser Tour weiß ich jetzt gar nicht, ob wir darauf Einfluss haben. Generell hast Du eigentlich recht, andererseits denke ich nicht, dass 35DM zuviel Geld sind, wenn Du Bad Religion sehen willst. Es ist ein notwendiges Übel, wir müssen alle Kosten decken, und wir spielen auch oftmals Fünf-Dollar-Shows als Ausgleich. Ich halte den Preis jedenfalls nicht für überzogen. Mal ganz davon abgesehen davon waren unsere Konzerte hier recht schnell ausverkauft, also macht es anscheinend wenig Unterschied, ob wir für 30 DM oder für 20 DM spielen.
Bad Religion besitzt ein Repertoir von mehr als 200 Songs. Wie entscheidet ihr, welche Songs live gespielt werden?
Brian: Wir versuchen, die Hits zu spielen und Spaß zu haben. Wir sind nicht solche Typen, die nur Songs vom neuen Album spielen und den Rest vergessen, das wäre meiner Meinung nach ziemlicher Betrug an den Fans. Wir varieren die Setlist jeden Tag und versuchen, einfach einen schönen Querschnitt von allen Alben zu bieten.
Ist es eigentlich nach so vielen Jahren, Shows und Platten immer noch aufregend, oder stellt sich nicht langsam die Routine ein?
Brian: Nein, es ist immer noch aufregend. Ich war schon in so vielen Bands, aber es hat noch nie soviel Spaß gemacht wie heute. Wenn Du in einer Band bist, die so vielen Leuten dermaßen viel bedeutet, ist es einfach ein fantastisches Gefühl. Ich liebe diesen Job. Klar nervt es, stundenlang im Flugzeug zu sitzen, aber dagegen kann man halt nichts tun, das muss man in Kauf nehmen. Irgendwie muss man das ganze Business akzeptieren, sonst kann man kein Musiker werden.
Wenn man in der einflussreichsten Hardcoreband aller Zeiten gespielt hat und nun in einer der wichtigsten Punkrockbands ist - gibt es da eigentlich noch musikalische Ziele?
Brian: Ja, ich möchte als nächstes in der wichtigsten Boygroup sein, die je existiert hat. Ich denke, das ist ein realistisches Ziel... Naja, die einzige Sache, die ich mir vorstellen könnte, wäre in der weltbesten Countryband zu spielen, und das ist jetzt absolut kein Witz. Ich liebe amerikanische Countrymusik, insbesondere Hank Williams, vielleicht werde ich auch wirklich demnächst was in der Richtung machen. Ich höre diese Musik zwar nicht ständig, aber ich würde sie gerne spielen. Außerdem komme ich aus Texas, das prädestiniert mich ja geradezu dafür.
Ihr seit in den USA Vorband von Blink 182. Fragt man sich da nicht manchmal....
Brian: Warum ?
Ja, so in der Art.
Brian: Wir spielen vor Blink 182 weil die in Hallen spielen, in die wir sonst nie kommen würden. Die spielen vor 20000 Leuten, wir könnten vielleicht gerade mal vor 5000 Leuten spielen. Klar, wir machen nicht mal ansatzweise so viel Geld wie Blink, aber wir sehen auch nicht halb so gut aus wie die. Außerdem ist es schön, vor Leuten zu spielen, die mich noch nie gehört haben. Zu Blink kann ich außerdem gar nicht so viel sagen, ich kenne die Jungs zwar, habe aber ihre Platte zum Beispiel noch nie gehört. Ich weiß nicht, worüber die singen, mir ist es egal, ob wir nach Green Offspring Blink Day 182 spielen, es ist halt einfach eine gute Gelegenheit. Ich kann mich über meinen Status wirklich nicht beschweren.
Aber denkt man nicht manchmal, dass der Erfolg dieser Bands ohne Bad Religion vielleicht nie möglich gewesen wäre, die aber jetzt weitaus mehr Platten verkaufen als ihr?
Brian: Ja, das stimmt, aber ich verstehe schon, warum diese Bands so erfolgreich sind, sie machen halt ihr Ding. Vor ein paar Jahren hat jeder nach Green Day und Offspring gefragt, jetzt fragen alle nach Blink 182......Was soll's, ich bin ehrlich gesagt froh, dass diese Art von Musik überhaupt so erfolgreich sein kann. Ich bin nicht neidisch, denn ich bin mit meinem Job mehr als zufrieden. Ich kann meinen Lebensunterhalt davon finanzieren, und das ist eine fantastische Sache.
Die Blink-Platte hast Du ja nicht. Welche Platten hörst Du dann eigentlich privat? Verfolgst Du die aktuelle Hardcore-Szene noch?
Brian: Nein, überhaupt nicht. Ich gehe zu Konzerten von Freunden wie H2O, und finde es auch klasse was sie machen, aber noch nicht mal da hab ich die Platten, weil ich mir das zu Hause nie anhören würde. Persönlich mag ich so Sachen wie Matthew Sweet, Country oder irgendwelche anderen komischen, eher ruhigen Sachen.
Letzte Frage: Seit Ihr zu Sony gewechselt seit, müsst Ihr Euch ständig Sell-Out Vorwürfe anhören. Was denkst Du darüber, wenn heute irgendwelche Kids sagen, dass Bad Religion sich verkauft haben?
Brian: Um ehrlich zu sein, finde ich es traurig, wenn Leute wirklich denken, dass die, die unsere Platten in den Laden bringen, irgendeinen Einfluss auf unsere Songs haben. Sell-Out bedeutet für mich, dass man seinen musikalischen Output verändert um das zu spielen, was gerade angesagt ist. Und so etwas haben wir nie getan. Wenn jemand sagt, dass unser Sound heute besser klingt als vor zwanzig Jahren, liegt das vor allem daran, dass wir unsere Instrumente heute beherrschen, jedenfalls besser als damals. Und das ist kein Sell-Out, sondern nur eine logische Konsequenz. Mal angenommen, unser Vertrag mit Sony läuft aus und wir gehen zurück zu Epitaph - sind wir dann wieder cool? Wir bleiben doch dieselbe Band. Und davon mal ganz abgesehen: Wer wirklich denkt, dass Epitaph kein Majorlabel ist, hat einen ziemlich verfälschten Eindruck.
Vielen Dank für das Interview!