Punk als Protest! Zusammen mit Hosen-Sänger Campino kämpfen Bad Religion im Clip zu "Raise Your Voice" gegen Duckmäuser und Mitläufer...
Der Raum ist mit meterlangen Arbeitsplatten aus Edelstahl, rostigen Öfen, verstaubten Spülbecken und unzähligen verbeulten Suppentöpfen vollgestopft. Der Putz bröckelt von der Decke, und auf dem zerbrochenen Mosaikboden steht das Wasser in tiefen Pfützen. Über der Küche des "Ambassador" -Hotels liegt eine beklemmende, gespentische Atmosphäre. Genau hier, in einem der halbdunklen Durchgänge der Grossküche, wurde 1968 John F. Kennedys Bruder Robert nach einer Rede erschossen. Das "Ambassador" hat sich nie wieder von negativen Schlagzeilen erholt. Heute deutet nischts mehr darauf hin, dass das langsam verfallende Hotel mit sienen 400 Zimmern einst zu den besten Adressen in Los Angeles gehörte. Hammerharte Bässe durchbrechen plötzlich die Stille. Die Vibrationen lassen die alten Mauern erzittern, und auf einmal tauchen im Türrahmen mehrere riesige Wühlmäuse auf, die einen irren Veitstanz aufführen. Doch nur eine Schrecksekunde später sind alle Figure schon wieder spurlos verschwunden...
"Raise Your Voice" heisst der Song, für den Bad Religion an diesem Tag das dazugehörige Video drehen. Für den Clip hat sich die südkalifornische Punk-Band Verstärkung aus Deutschland geholt - Campino von den Toten Hosen. Er rockt in mehreren Szenen, die in einer leeren Tiefgarage gedreht wurden, mit der Band wild los. "War doch klar, dass ich da mitmache", sagt Campino in einer Drehpause, "schliesslich sind die Hosen und Bad Religion schon seit etlichen Jahren dicke Freunde."
Vorangegangen sind sechs lange Wochen, bei denen die Hosen, Bad Religion (grösster Hit: "Punk Rock Song") und 15 andere US-Bands im Rahmen der "Warped"-Tour den halben Erdball (BRAVO berichtete) umrundert haben. Und obwohl Campino die Reisestrapazen anzusehen sind, war es für ihn Ehrensache, auf dem Rückweg nach Germany für das Video einen Zwischenstopp in L.A. einzulegen. Campino: "Als Greg gefragt hat, ob ich mitmachen will, hab' ich keine Sekunde gezögert."
"Raise Your Voice" (dt.: Erhebe deine Stimme) entstand, nachdem Leadsänger Greg Graffin im Fernsehen einen Bericht über den blutigen Anschlag auf eine amerikanische Abtreibungsklinik gesehen hatte. "Dabei wurden zwei Angestellte von einem fanatischen Abtreibungsgegner ermordet", erzählt Greg, "und trotzdem traute sich anschliessend keiner der Ärzte, seiner Wut und Trauer Luft zu machen. Alle hatten zuviel Angst vor weiteren Überfällen. Dass gab mir die Idee zu dem Song. Wer sich aus Bequemlichkeit oder Angst nicht mehr traut, den Mund aufzumachen, verkümmert zu einem willenlosen Mitläufer. So wie in einder Herde von Ratten oder Wühlmäusen, die in mehreren Szenen durchs Video huschen." Und Campino fügt hinzu: "Es gibt viele Dinge, die uns momentan stinken - Punk muss wieder politischer werden! Deshalb zeigen wir in unserem Clip zu 'Pushed Again' authentische, zum Teil sehr brutale Gewaltszenen. Man muss die Leute wieder aufrütteln!"
Bad Religion engagierten für ihren Protest-Clip den deutschen Regisseur Kai Sehr sowie 20 Schauspieler. Mit dabei sind Frauen und Männer aller Hautfarben und verschiedenen Alters: "Hier geht's nicht um Schönheit und auch nicht darum, welche Abstammung die Leute haben", sagt Greg, "das Thema betrifft uns alle." Gedreht wird zunächst in einem tunnelartigen Gang des Gebüades. Am Ende des Gangs ist zu Beginn ein Statist mit einer grauen Wühlmaus-Maske zu sehen. Mit nacktem Oberkörper rennt er auf die Kamera zu und wird dabei von immer mehr Gestalten - viele von ihnen tragen ebenfalls Masken - verfolgt. In extremer Zeitlupe ziegt die Kamera später mehrere der verzerrten Gesichter in Grossaufnahme, bevor si schliesslich auf Campino und Bad Religion schwenkt, die zu "Raise Your Voice" abrocken. "Als ich das Stück geschrieben habe, hab' ich von Anfang an gehofft, dass die Hosen und Bad Religion die Nummer irgendwann mal gemeinsam spielen werden", so Greg. Die Chancen stehen nicht schlecht: Denn nach dem Erfolg der "Warped"-Tour wollen beide Bands in diesem Jahr gemeinsam auftreten - bei uns sind beide Bands live im Sommer zu sehen.