Melodischer Punkrock ist seit dem 1982er Debüt-Album "How Could Hell Be Any Worse?" das Markenzeichen von Bad Religion, die trotz kreativer Pausen rnittlerweile seit über zehn Jahren zu den erfolgreichsten Bands dieses Genres zählen. Auf ihrer diesjährigen Tour, d.h. bei Auftritten in Nürnberg und in Gießen, hatte das Zillo Gelegenheit, sich näher mit der Band zu beschäftigen und einen Blick hinter die Kulissen des Quintetts aus den USA zu werfen.
ln der Besetzung Greg Graffin (Gesang), Brett Gurewitz (Gitarre), Greg Hetson (Gitarre), Jay Bentley (Baß) und Peter Finestone (Schlagzeug) trat die Band am 22. Juni 1991 im Nürnberger Serenadenhof, und eine Woche später auf dem Bizarre-Festival in Gießen auf. Bei beiden Auftritten nutzte Zilloist Frank Keil die Gelegenheit zu einem lnterview mit der Band, die auch diesmal wieder alte und neue Fans zu begeistern wußte.
Zillo: Greg, erzähle unseren Lesern doch bitte einmal, wie es zur Gründung von Bad Religion kam, und wie es dann im Anschluß weiterging.
Bad Religion: lch sang damals in einer anderen Band und wollte mit meinem Schlagzeuger J. Lishrout aber etwas Neues machen. Über einen Freund lernten wir an der Schule Brett und Jay kennen, und Bad Religion war geboren. Das war 1980, als Punkrock in Los Angeles sehr beliebt wurde. Wir waren nicht sehr an Religion interessiert und daher schien unser Bandname treffend zu sein. Schon damals machten wir Punkrock, viele der englischen 77er-Bands waren unsere Vorbilder. Bereits 1981 nahmen wir eine EP auf, die sich für unsere damaligen Verhältnisse als nahezu unbekannte Band nicht schlecht verkaufte, während sich dann noch einige Samplerveröffentlichungen anschlossen.
Zillo: Kam für Bad Religion mit dem Debüt "How Could Hell Be Any Worse" der Durchbruch, und was bewirkte er für die Band?
Bad Religion: 1982 stieß Peter Finestone als neuer Schlagzeuger zu uns, und wir nahmen unser Debüt auf. Eine Reihe von Auftritten hatte uns bereits einen guten Namen in Los Angeles verschafft und die Platte tat ein Übriges. Heute gilt sie ja bereits als Meilenstein des amerikanischen Punkrock, worüber wir uns sehr freuen.
1983 erschien dann die LP "lnto The Unknown", die bereits durch bandinterne Probleme und Umbesetzungen geprägt war. Alkohol- und Drogenprobleme von Brett führten 1984 bis 1988 zu einer kreativen Schaffenspause. Während dieser Zeit hielt Sänger Greg die Band dennoch mit wechselnden Musikern am Leben, ehe sich die ursprüngliche Besetzung 1988 wieder zusammenfand, um ein Comeback zu starten.
Zillo: Wie kam es zu dem fast schon sensationellen Erfolg in Europa, nachdem man Mitte der 80er Jahre wenig von Euch gehört hatte?
Bad Religion: "Suffer" brachte uns wieder zusammen und dadurch kam auch der Erfolg. Uns gelang damals ein wirklich guter Crossover-Sound und die Stücke hatten wirklich Power. Wir kamen nach Europa und hatten Erfolg, was uns anfänglich schon verwunderte. Aber wir merkten, daß die Leute genau diese Art von Musik mochten und das gabe uns Bestätigung, in dieser Richtung weiterzumachen. Die Fans, speziell in Deutschland, interessierten sich für uns in extremster Weise, da wir ziemlich geschickt Melodie, Geschwindigkeit und intelligente Texte in Drei-Minuten-Stücken verpacken können.
Zillo: Die LP "No Control" brachte 1989 dann den endgültigen Durchbruch für Bad Religion. Wie war das genau?
Bad Religion: "No Control" war ein Hammer mit richtig tollen Stücken wie "Change Of ldeas", "Big Bang" oder auch "l Want To Conquer The World". Die anschließende Tour war der absolute Höhepunkt in unserer Karriere bis dato. 21 ausverkaufte Konzerte in Europa und mehr als 15.000 Besucher, das konnten wir kaum fassen. ln den deutschen lndie-Charts hielt sich "No Control" ja auch zehn Monate lang.
Zillo: Mittlerweile ist die fünfte LP von Euch veröffentlicht worden, auf der lhr der alten Musik zwar treu bleibt, aber dennoch einige stilistische Änderungen einfließen laßt. Was ist der Grund dafür?
Bad Religion: "Against The Grain" ist eine musikalische Weiterentwicklung. Wir wollen unsere Musik frisch und interessant gestalten, dafür sind Neuerungen unerläßlich. Aber wir klingen dennoch nicht nach Heavy-Metal. Es erstaunt uns immer wieder, warum gerade so viele Heavy-Metal-Fans zu unseren Konzerten kommen, aber das liegt wohl an unserer kraftvollen Musik.
Zillo: lnwieweit spielen die Texte bei Bad Religion eine Rolle im Zusammenhang mit der Musik? Was steht im Vordergrund, was ist wichtiger?
Bad Religion: Musik und Texte sind gleichberechtigt, nur leider achten viele Fans da draußen weniger auf die Texte. Du weißt vielleicht, daß Greg, unser Sänger, Lehrer ist und als einziger in New York lebt. Er macht alle Texte und schickt sie zu uns. Und seine Texte sind schon sehr bissig, kritisch und machen oftmals betroffen, aber wenn die Fans nur auf die Musik achten, ist das auch o.k. Brett und Jay haben ein eigenes Studio und Label (Epitaph Records), wo wir dann die Musik entwickeln, bevor wir sie endgültig mit Greg einstudieren.
Zillo: lch nehme an, daß Euch der Erfolg mit Sicherheit verändert hat. Warum seid lhr z.B. nicht zu einem Major Label gewechselt, wo doch mittlerweile auch diese Art von Musik salonfähig ist?
Bad Religion: Wenn Du uns 1981 erzählt hättest, in Deutschland interessieren sich mehr als 20 Leute für Bad Religion, hätten wir gelacht. Natürlich verändert der Erfolg unser Denken und Handeln, aber wir versuchen, unser Ego im Zaum zu halten. Natürlich sind wir selbstbewußter geworden, aber Musik ist nicht alles für uns. Wir haben ein Leben außerhalb der Musik, wir wollen nicht wie Bon Jovi mit Songs über Musik und das Musikgeschäft enden. Mit Epitaph sind wir sehr zufrieden, wer sollte uns besser behandeln, als die. Wir arbeiten hart und haben Erfolg. Aber so ein Wechsel hilft doch auch gar nicht immer. Viele Bekannte von uns machten diesen Fehler und verschwanden dann in der Versenkung, weil sie den Ansprüchen der Major Labels nicht gerecht werden konnten. Wir sind Freunde, die auch außerhalb der Musik zusammenkommen, auch wenn jeder seine Privatsphäre hat, und Epitaph ist unsere Familie.
Zillo: Punkrock war immer auch eine politische Rebellion gegen die jeweils existierenden politischen Systeme eines Landes. Wie politisch sind Bad Religion, auch im Hinblick auf den vergangenen Golfkrieg?
Bad Religion: Zumindest ist Bush besser als Reagan. Der kann wenigstens frei sprechen, auch wenn seine Politik nicht unseren Vorstellungen entspricht. Direkt politisch sind wir nicht, aber durch unsere gesellschaftskritischen Texte wollen wir die Leute schon aufrütteln um nachzudenken, und um Änderungen zu bewirken, z.B. Kriege jeglicher Art zu verhindern.
Aufgerüttelt wurden die Fans bei den beiden Auftritten von Bad Religion mit Sicherheit. Trotz sinnflutartiger Regenfälle und Gewitter gerieten die rund 1.000 Fans beim Open Air im Nürnberger Serenadenhof völlig aus dem Häuschen. Das Quintett dankte dies der Pogomasse mit einer Reihe von Zugaben, bis Band und P.A. ebenfalls völlig naß waren. Auf dem Bizarre-Festival sorgten Bad Religion mit treibenden Gitarren, pulsierendem Baß, Schlagzeug und aufpeitschendem Gesang zum ersten Mal an diesem Tag für richtige Stimmung, was Zugaben unerläßlich machte. Erneut bewiesen die fünf Amerikaner ihre Ausnahmestellung und rechtfertigten ihren massenwirksamen Kultstatus durch mitreißenden, innovativen Hochgeschwindigkeitsrock zwischen Punk und Hardcore.