Intellektuelle gegen das Imperium
Bad Religion sind ein Phänomen. Eine Band, die seit fast zwei Jahrzehnten ihr Ding durchzieht und stetig neue Fans begeistern kann, ohne alte zu vergraulen. Mr. Brett, Gitarrist der Band und Labelchef von Epitaph, machte sich extra auf den Weg ins alte Europa, um über Bad Religion und Politik zu sprechen. Dinge, die schon immer zusammen gehörten. Auch das neue Werk "The Empire Strikes First" wurde natürlich diskutiert. Und weil es so schön war, schaute auch Greg Graffin (Vocals) noch kurz vorbei...
?: Brett, du bist immer viel beschäftigt, als Label-Manager, Produzent und Gitarrist. Trotzdem wird die Verjüngungskur, die Bad Religion seit "Process Of Belief" erlebt hat, ja hauptsächlich dir zugeschrieben. Wieviel Zeit hast du diesmal in das Album investiert?
Brett: Es musste sehr schnell gehen, da mich die Arbeit an der aktuellen Rancid-Scheibe viel länger in Anspruch genommen hat. So blieben nur vier Monate um Songs zu schreiben. Aber für die Aufnahmen haben wir uns dann Zeit gelassen.
?: "The Empire Strikes First" klingt trotzdem nach einem Album, welches nicht spontan eingespielt wurde, sondern als wäre viel Arbeit in die wieder vielen melodischen Mid-Tempo-Songs geflossen. Warum die Abkehr von der Aggressivität von "Process Of Belief"?
Brett: Für mich ist das neue Album genauso hart wie der Vorgänger. Es sind sehr viele schnelle Stücke drauf. Auf "Process Of Belief" waren die ersten drei Songs direkt die schnellsten der ganzen Scheibe, vielleicht machte das einfach einen härteren Eindruck. Denn auch diese Scheibe hatte mit "Sorrow", "Broken" und "Epiphany" einige sehr melodische Stücke. Generell glaube ich, dass "The Empire Strikes First" den alten Fans auch sehr gut gefallen wird.
?: Auch auf Epitaph sind in letzter Zeit Alben von Bands wie Matchbox Romance oder Brand New erschienen, die man eher unter Emo, denn unter Punk einordnen würde. Man kommt also nicht umhin, anzunehmen, dass sich deine Vorlieben etwas in die melodischere Richtung entwickelt haben.
Brett: Ich mochte immer melodische Musik und Bad Religion selbst ist dafür bekannt, Melodie und Punk-Rock zu verbinden. Vielleicht haben wir unseren Spielraum heute etwas erweitert, allerdings mehr im produktionstechnischen Sinne. Früher durfte man im Punk einfach keine Keyboards oder bestimmte Filter und Chorus-Effekte verwenden. Doch Emo-Punk-Bands wie The Used oder Taken Back Sunday haben das etwas aufgebrochen, so dass auch Bad Religion etwas mehr experimentieren konnten. Das Album hat deshalb vielleicht ein paar mehr Effekte und Harmonien. Die Songs sind immer noch wie früher, nur die Arrangements und die Produktion haben sich etwas verbessert.
?: Aber mit Rap-Vocals hat trotzdem keiner gerechnet...
Brett: Das ist Sage Francis, ein ehemaliger Slam-Poet, der sich dem Rap zugewandt hat und in der Underground-Szene sehr beliebt ist. Seine Texte sind sehr politisch und ein Song vom ihm über den 11. September, "Make Shift Patriot", wurde ein Hit im Internet. Ich wollte einen Song auf dem neuen Album, der einen Sprech-Part enthält, wie "The Voice Of God Is Government" auf unserem Debüt. Und da ich Sage sowieso für Epitaph unter Vertrag genommen hatte, lag es Nahe, ihn zu fragen, ob er eine Text-Passage schreibt und sie auch spricht.
?: War es ein Problem, dich für ein neues Bad-Religion-Album zu motivieren? Greg sprach davon, dass ihr euch seit deiner Rückkehr so fühlt wie zu "Suffer"-Zeiten. Kannst du da zustimmen?
Brett: Absolut. Und obwohl ich ein 40-jähriger Mann bin, der noch immer Songs für eine Punk-Band verfasst, habe ich beim Schreiben ähnliche Empfindungen gehabt, wie damals. Das politische Klima in den USA fordert es geradezu heraus. Ich habe die Hälfte der Texte geschrieben und im Gegensatz zu Gregs Werken geht es bei mir weniger um Religion, als um Politik. Und so entstanden Stücke wie "Let Them Eat War", "Los Angeles Is Burning" oder der Titeltrack. Aber auch über das Recht der Frau auf Abtreibung habe ich in The Quickening geschrieben.
?: Der erwähnte Titeltrack, "The Empire Strikes First", assoziiert die USA mit den imperialen Truppen aus Star Wars und scheint auf den Irak-Krieg gemünzt.
Greg: Um den Irak-Krieg geht es nur bei zwei, drei Songs der Platte. Wir versuchen eben nicht, ausschließlich tagesaktuelle Themen zu verarbeiten, sondern eher philosophische Fragen. Und auch die Stücke über den Krieg sind so allgemein gehalten, dass sie auch noch in zehn Jahren wirken und zeigen, dass es negative Aspekte gibt, wenn man in einem Imperium, den USA, lebt. Bei den anderen Songs haben wir uns auf ein anderes Imperium, das römisch-katholische, eingeschossen. Wir wollen zeigen, wie es ist, blind christlichen Regeln zu folgen und auch, welchen Schaden die Kirche anrichten kann. Der Song "Sinister Rouge" handelt von den Gräueltaten der Kirche, die bis heute anhalten, z.B. durch Kindesmissbrauch.
?: Allein der Name Bad Religion zeigt diese Einstellung. Warum beschäftigt dich das Thema so sehr?
Greg: Es war immer mein großes Interesse. Ich bin nur Biologe geworden, weil die Religion mir nicht die Antworten gegen hat, die ich er gesucht hatte. In der Biologie gab es dagegen höllisch viele Antworten (lacht).
?: Ihr eckt ja noch immer oft mit euren Texten und dem Bandnamen an. Auch bei Bad-Religion-Fans?
Greg: Genau das ist typisch für Amerika. Da gibt es überzeugte Christen, die gleichzeitig unsere Fans sind, die aber die Texte gar nicht auf sich beziehen. Sie denken, wir würden nur über andere singen und mit dem Finger auf sie zeigen. Und dann fühlen sie sich noch bestätigt durch uns.
Brett: Dabei ist das Konzept von Religion als etwas Negatives seit Jahren eine unerschöpfliche Quelle für textliche Ideen von uns und das hat sich vom Anfang der Band bis heute nicht geändert.
?: Einige eurer Kollegen sehen den Bezug von Punk und links-liberalen Ansichten allerdings nicht mehr als so zwingend an. Dave Smalley, der mit Down By Law, All oder Dag Nasty sogar bei Epitaph Platten veröffentlichte, agiert jetzt als Sprecher für eine Bewegung namens "Conservativepunk".
Brett: Das macht mich unglaublich sauer. Natürlich gibt es immer mal wieder sogenannte Punk-Bands, die sich rechts-konservativ äußern aber das ist sicher nicht die Regel und sollte es auch nicht sein. Konservative Punks sind für mich nichts anderes als Nazi-Skinheads. Für mich ist Punk-Rock eine Bewegung gegen das Establishment und eine rechts-konservative Einstellung ist Pro-Establishment. Ich glaube, dass jemand, der sich Punk-Rocker nennt, oder Punk hört, und rechte Ansichten hat, mit einem sehr niedrigen I.Q. ausgestattet ist.
Greg: Das ist echt verrückt. Besonders, dass Dave Smalley dabei ist. Ich verstehe die Meinung einiger Punks, dass Punk-Rock bedeutet, sich gegen bestehende Meinungen aufzulehnen. Das führt dazu, dass sich einige Punks als unpolitisch bezeichnen, da sie sich auch von den Demokraten (in den USA – Anm.d.Verf.) nicht vereinnahmen lassen wollen. Punk-Rock darf über der Politik stehen und die ausgeübte Autorität von jeglicher Seite angreifen. Aber gerade in der heutigen Zeit des Konservativismus wirkt es absolut lächerlich, ein "Conservativepunk" zu sein. Selbst als Punk als Gegenreaktion zu den Hippies und der damals sehr liberalen Gesellschaft aufkam, war Punk nie wirklich rechts, sondern hat sich schnell zu einer ebenso liberalen Bewegung entwickelt. Punk und Konservativismus gehörten also nicht zusammen. Punk ist vorwärtsdenkend und tolerant, Konservativismus setzt auf traditionelle Werte und ähnlichen Quatsch. Nazi-Skinheads sind das beste Beispiel dafür, was passieren kann, wenn man Punk-Ästhetik und rechtes Gedankengut vermischt.
Thorsten Wilms