Fick die Scheiss Majors!!!
Oder wie Punk rock sind eigentlich BAD RELIGION? Eigentlich sind die Jungs seit ihrem Wechsel zu Sony-Music ja endgültig abgeschrieben und gelten heute nur noch als die Urväter des "lange Haare, Pickel und Zahnpiercing"-Punks, der heute ja seuchengleich explodiert. Und von denen hält man ja in sogenannten "echten" Punkerkreisen überhaupt nichts. Das aktuelle Konzertbild gibt einem da schon recht. Die tausend Kopien von BAD RELIGION sind, wie Kollege Post-Klaus unlängst feststellte, nix anderes als T-Shirt-Bands wären. Recht hat er.
Und warum mache ich trotzdem ein Interview mit BAD RELIGION? Bestimmt nicht, weil ich revolutionäre Aussagen von ihnen erwartete. Schließlich haben die Jungs den Gang durch die Fanzines eigentlich lang hinter sich. So ziemlich in allen Heften tauchten die Westcoast-Brothers Ende der Achtziger auf, um zwischen der 'Suffer' und 'No Control' ihren Punk zum Besten zu geben. Danach waren sie nur noch Kopie ihrer selbst und zogen einen schier unendlichen Schwall mehr oder weniger gelungener Kopien hinter sich her. Und eine neue Art von Punk schien geboren. Leute, die die elterliche Haushaltskasse bis auf das äußerste strapazierten, um auf ihren Konzerten im Epitaph-Einheitslook zu erscheinen. Zunächst schreckte das viele alte Leute zwar ab, aber der Mucke zuliebe waren viele altgediente Hasen zu bereit, über solche Oberflächlichkeit hinweg zu sehen. Das geschah nach dem Motto: "Vielleicht wird aus den Langhaarigen ja doch noch was!". Aber irgendwie passierte dann doch nichts. Der Modepunk hatte sich spätestens mit NIRVANA etabliert. Und mangels anderer Alternativen unter den Kids, setzte sich nach Kurt Cobains goldenem Schuß eine neue Linie in der populären Musik durch.
Immer mehr Bands, die in unserer geliebten heilen Hardcore oder Punkrock-Bands groß geworden sind, verließen die wohlige Wärme des Elternhauses, und machten das, wofür wir sie heute hassen. Geld!!!! Alle die Werte schienen über Bord gegangen zu sein. Zählen wir doch mal ein paar unserer Lieben auf, die auf die Familie schissen, und die ganzen guten Ideale über Bord warfen: NIRVANA, SHELTER, SUICIDAL TENDENCIES, die BATES, CHUMBAWAMBA, GREEN DAY, OFFSPRING (die auf ihrer Debut-LP noch schüchtern fragen, ob sie denn so 'ne berühmte Persönlichkeit wie Jello Biafra grüßen können....), HENRY ROLLINS, SPERMBIRDS und und und....
Der andere Aspekt war, daß sich viele Labels, die sich gerade über die Jahre hinweg über Wasser halten konnten, auf mächtig wie Majors zu werden. EPITAPH, das eigentlich ein reines Bad Religion-Label war, steckten die Kohle in die Nachwuchsarbeit. NO FX, RANCID, OFFSPRING, PENNYWISE und zig andere Bands wurden genauso erfolgreich an das hungrige Jungvolk weiterverhökert. Die nutzten ihr Geld, um ihrerseits FAT WRECK oder NITRO zu gründen und gaben dem trendbewußtern Volk weiterhin neues Futter. Denn eins haben die Kids Geld! Und daran gilt es so schenll wie möglich zu kommen. Da muß nachgeliefert werden. Hatten es LAG WAGON auf ihrer ersten Deutschlandtour noch mit begeistertem Szene-Publikum zu tun (50-80 zahlende Zuschauer), die dachten, 'ah, die machen zwar ähnliche Mucke haben aber mehr Inhalte zu bieten', so änderte sich das ziemlich schnell, mit dem schnellem Verkaufserfolg.
Niemand hatte damit gerechnet, daß dies solange gut geht. Dieser Mainstream-Punkrock-Boom scheint noch lang nicht am Ende. Da ist für richtige Zecken auch noch genug Platz. Aus Schweden kam mit BURNING HEART REC. das erste richtige Kopiecore-label. Selbst wir waren begeistert von deren Bands und versuchten die Bands über unseren damals gegründeten Vertrieb in Deutschland zu vertreiben. MILENCOLLIN und NO FUN AT ALL kopierten zwar den Amitrend, wirkten aber so unglaublich frisch. Aber da hatten wir die Rechnung ohne den Wirt gemacht, denn in Deutschland hatte das sinkende Schiff Semaphore auf einmal den Vertrieb für Epitaph. Das sorgte für eine gewaltige Finanzspritze, und so war der Vertrieb ruckzuck bei Semaphore. Vielleicht kann man im Nachhinein sagen, Gottseidank, daß er so kam. So konnten wir uns in aller Ruhe weiterentwickeln, ohne das schnelle Geld. Ich schätze mal, daß wir unter Umständen mächtig größenwahnsinnig geworden wären, schließlich sind wir nicht CRASS. Aber das ist eine andere Geschichte.
Ein weiteres Phänomen war dann die indirekte Punkwelle, die sich auf uns auswirkte. Labels (mag man zu ihnen stehen wie man will), wie We Bite, Impact, Lost & Found, Hulk, Nasty Vinyl und Bitzcore wurden mit Hardcore und Punk ebenfalls "groß". Daraus resultierte, äh resultiert auch eine aktuelle unkommerzielle Antihaltung. De große Vorwurf, der Punk verflacht und wird immer oberflächlicher. Eine Generation von Punks und Hardcores wächst heran, die alles kritisch hinterfragt, was heute mit dem Begriff Punk zu tun hat. Dabei wird mancher zwar ein wenig zu heftig angegriffen, aber letztendlich dient dies auch der Auseinandersetzung mit sich selbst. Kommerzieller Erfolg und bestehende Ideale widersprechen sich in der Regel. Die Punks, die jetzt vom Punk leben, sind letztendlich nichts anderes als Unternehmer. (Anm.: Sag mal, Swen, das hättest du in deinem Vorwort schreiben können).
Und da est da um das eigene Überleben geht, ist der Idealismus teilweise unterwandert von Existenzängsten. Und da mancher da über die Grenzen des guten Geschmacks hinausschießt, ist jede Kritik auch gerechtfertigt, solange sie nicht zur blinden Pauschalkritik wird. Und da schließt sich der Kreis wieder zu der Frage nach dem Warum? Ohne BAD RELIGION wäre ich nie zum PLASTIC BOMB gekommen. Ich war nämlich zu der Zeit auf dem besten Weg, jeglichen Bezug zum Punk und Hardcore zu verlieren. Die paar Punkplatten, die ich hatte, wurden zwar oft aufgelegt, aber letztendlich war mein Leben bestimmt von Langeweile. Ich sav nur noch vor dem Computer und interessierte mich für überhaupt nix mehr. Meine Eltern hatten doch recht. Vielleicht auch die SPERMBIRDS, die ja 'Only a phase' sangen. Die Schule war vorbei, ich begann meine kaufmännische Ausbildung, und mein weiteres Dasein würde duch bloßen Konsum bestimmt werden.
Ich hatte zwar schon immer den Drang etwass Besonderes zu machen, allerdings hatte ich nie die Einstellung und den Mumm irgendwelche Risiken zu gehen. Da hat staatliche und elterliche Erziehung halt Spuren hinterlassen. Heute würde ich wahrscheinlich auf der bürgerlichen Karriereleiter ein paar Kilometer weiter oben sein und in 'Indi'-Diskos auf den ganzen Modepunkkram abfahren, wie es die Masse heute macht.
Aber dann kamen BAD RELIGION in mein Leben. Damals war de Sound auch im Punk / Hardcore noch relativ neu und frisch. Und mich dürstete nach mehr. Auf bin ich ins Garargebland (örtlicher korrekter Plattenladen) und sagte dem Verkäufer: "Hallo, hier bin ich. Ich will ganz viele Bands hören, die so klingen wie BAD RELIGION!!!!". Tja, heute hätte ich das geboten bekommen, was wir alle so langweilig finden. Damals ging ich OFFENDERS und FUGAZI plus einer handvoll Fanzines nach Hause. Über einen Schulfreund und des großen Bruders kam ich dann zu den entsprechenden Konzerten. Und so ging es immer tiefer in die Materie.
Es war nur noch ne Frage der Zeit, bis ich selber anfing zu schreiben und den Michael kennenzulernen. BAD RELIGION wurden natürlich immer langweiliger und die ihre Konzerte interessierten mich immer weniger. Punk ist schließlich mehr als T-Shirts und Stage-Diving. Tja, und anyway, ich bekomme das Vorabtape zur 'The gray race' und bereite mich innerlich auf einen Verriß vor, da kickt das Teil auf einmal und macht einen Schalter bei mir an. Dann kommt da ein Anruf von einem gewissen David, der gerne bei uns mitschreiben will und kleinlaut zugibt, daß er eingentlich nur auf den Melodic-Core steht und auch eine Band macht, die sich ähnlich anhört, er würde auf jeden Fall unglaublich gerne ein Interview mit BAD RELIGION machen. Tja, da bin ich dabei, dachte ich.
Gesagt, getan. Wir beiden schwingen uns ins Auto, und ich lerne einen Menschen kennen, der genau das macht, was ich auch vor Jahren gemacht habe. Er nutzt BAD RELIGION als Einstieg, um möglichst schnell slebst etwas zu machen. Und da stehen wir nun in der Empfangshalle der "Punkrock"-Hotels und warten auf eine Frau, die uns zum halbstündigen Smalltalk führt. Und eine typische Major-Promoterin bringt uns dann auch in den Konferenzraum. Ich denke, "Ach du scheiße, wo bist du denn hier gelandet. Was soll ich hier?". Na ja, da mußte ich durch. Hatte ich mir schließlich selbst eingebockt. Ende vom Lied ist ein sympathischer Jay, der auf mich einen ehrlichen, netten Eindruck hinterließ und sich ganz gut aus der Affäre zog. Das Konzert im Luxor, am Abend, war später davon geprägt, daß sich fast ausschließlich Leute dort befanden, für die ich wenig übrig hatte. Die Show war allerdings die Beste, die ich jemals von Bad Religion gesehen habe. Die hatte ich eigentlich als totlangweilige Livekapelle in Erinnerung. Lustig noch zu erwähnen, daß die Leute vor der Tür des restlos ausverkauften Luxors durchaus bereit waren, 60 DM für ein Schwartzmarkt-Ticket zu latzen, ohne mit der Wimper zu zucken. Da sind die Sex Pistols für 66 DM ja fast schon geschenkt. Die Frage bleibt. Wie Punkrock ist das eigentlich? Demnächst an dieser Stelle ein Interview mit STEAKKNIFE, DACKELBLUT oder KALTE ZEITEN. Besser is' wahrscheinlich. Jetzt aber genug geschwafelt und für die heimlichen BAD RELIGION-Freunde oder offiziellen Gegner das Interview.
Zu Beginn des Interviews kam dann zunächst die Sony-Promo-Schlampe Danielle (oder so ähnlich), die sich bei ihrem "Künstler" dafür entschuldigte, daß die Arschlöcher (so ähnlich der Wortlaut) vom BLURR-Fanine nicht da wäre. Das wäre halt so, wenn man mit unprofessionellen Leuten zusammenarbeiten würde. Jay hatte da eigentlich nur Fragezeichen in den Augen und meinte, daß ihm das ziemlich egal wäre und sie solle sich nicht so aufregen. Dann sagte sie, daß wir noch 15 Minuten für das Interview hätten. Astreine Voraussetzung für das ausführliches Interview!
Warum macht ihr eine so kleine Tour, in solch "kleinen" Läden, wie dem Luxor. Da kommen doch viel mehr Leute, als überhaupt reinkommen können.
Das ist halt das, was wir immer gemacht haben.
Aber im Sommer seid ihr ha schon wieder da. Ist das nur Promotion?
Natürlich dient das ganze, um unsere neue Platte vorzustellen. Nur ist das auf unserem Mist gewachsen, und nicht weil unsere Plattenfirma das so will. Alles, was wir machen, entscheiden wir als Band. Sicher könnten wir in größeren Läden spielen, allerdings fordern von uns auch ne ganze Menge Leute, ne Clubtour zu machen. Das macht uns natürlich auch mehr Spaß. Wenn du nur noch im Chicago-Football-Stadion als Vorband von Pearl Jam vor 120.000 Leuten spielst, dann macht das auch nicht sonderlich viel Spaß. Da fragst du dich dann, warum du den ganzen Scheiß machst. Sowas ist nicht unsere Welt.
Aber irgendwo seid ihr Teil dieser Welt. Eure Platten erscheinen bei Sony....
Das hat damit nichts zu tun. Wenn du auf einem Festival spielst, dan bist du nur ein Teil einer großen Show. Wenn Du im Luxor spielst, dann sind die Leute nicht wegen der ganzen Show da, sondern wegen dir. Das ist schon ein mächtiger Unterschied. Als wir vor ein paar Jahren im ROSE CLUB gespielt haben, da standen auch 500 Leute auf de Straße und sagten, "Ihr könnt hier nicht mehr spielen.". Da frage ich mich nur "warum?".
Warum macht ihr es dann nicht wie die TOTEN HOSEN vor ein paar Jahren und spielt unter anderem Namen? Dann habt ihr auch das entsprechende Publikum, das zu kleinen Clubs gehört.
Wir haben das auch schon gemacht. Allerdings war das in den Staaten. Das funktioniert einfacher, wenn Du zu Hause spielst. Dann kannst du das zum reinem Spaß machen. Anstatt diese ganzen Interviews zu machen, wollten wir halt ein bißchen in Europa rumreisen. Bei diesen ganzen Interviews fragst du dich als Band schon mal, warum du in einer Band spielst, wenn du mehr redest als zu spielen.
Ihre macht ja auch schon ein paar Tage Musik, und gebt solche Interviews. Was ist denn eure Botschaft heute noch und was war sie 1980?
lange Pause
Es wäre übertrieben zu sagen, daß wir eine besondere Aussage haben. Es ging immer nur darum zu tun, was wir wollen. Wir hatten nie eine Erklärung für unser Handeln. Aber wir wollten es auch nie.
Was sagst du zu der These, daß verdammt viele erfolgreiche Punkbands viel zu alt sind.
Das ist nicht unbedingt war.
Da ging es mir mehr um diese Reunion-Geschichten. Ihr habt das ja 1988 selbst gemacht....
Damals hat aber niemand großes TamTam darum gemacht. Das war damals kein großes Come Back. Wir hatten vorher vielleicht 4000 Platten weltweit verkauft. So dachten wir bestimmt nicht, wir könnten jetzt ein paar Millionen Platten verkaufen. Diese Tür, viele "alternative Platten" zu verkaufen hat NIRVANA augestoßen. Dadurch haben Bands wie FUGAZI oder wir profitiert, allerdings in viel kleinerem Rahmen. Der reicht aber immer noch. Jetzt scheint sich das zu verändern. Das finde ich gut. Wenn GREEN DAY erfolgreich sind, dann freue ich mich darüber, weil ich ihre Musik mag. Wenn POISON oder WHITESNAKE erfolgreich sind, dann finde ich das scheiße, weil deren Musik scheiße ist. Ich glaube auch, daß dieser kommerzielle Erfolg des Punks auch den vielen kleinen Bands hilft, die zum Beispiel in eurem Heft stehen, daß sie Akzeptanz bekommen. Sie sind jetzt nicht einfach nur Punk. (Vielleicht wären das aber viele...) Jetzt kriegen die Leute schon mit, daß Punk mehr ist, als nur ständig "Fuck" zu schreien. Viele Bands haben da ja ganz gute Texte, die auch Einfluß haben. (schön wäre das...)
Natürlich tut es mir für viele ältere Bands auch leid, daß sie von dieser Punkwelle nicht so profitieren, wie wir. Z.B. die ADOLESCENTS, die den Weg für andere geebnet haben.
Liegt da nicht auch ein wenig das Problem? Auf einmal tauchen Bands auf, von denen du vorher nie Notiz genommen hast und sahnen groß ab, für die Sache, die du seit Jahren für noppes bis zur Selbstaufgabe betrieben hast.
Nein! Das macht dich stolz, denn es zeigt dir, daß du auf dem richtigem Weg warst. So macht es dich eher stolz. Du hast nicht die ganze Zeit scheiße gemacht. Wenn Billy Joe irgendwo erzählt, daß er halt ein einfacher Punkrocker ist, der viel Bad Religion gehört hat, dann freut einen das eher. (na ja , ich würd ihm halt lieber auf's Maul hauen).
Ihr erreicht mit eurer Musik ne ganze Schippe Leute, die mit Punkrock nix am Hut haben. Glaubt ihr, daß ihr auf de Bühne die Möglichkeit habt, etwas in den Köpfen des Publikums zu verändern?
Ich glaube nicht. Teilweise muß das auch nicht sein, da viele Punkrocker den selben Fehler machen, nur anders herum. Sie leben nur in ihrer Punkrock-Welt (hey, das klingt nach uns!!!) und verpassen dadurch auch ne ganze Menge. Es gibt Leute, die reden gar nicht mit anderen, die andere Musik hören. Dabei ist häufig nur der Stil anders. Musik ist eine Kunstform, die häufig das Resultat haben soll, daß sich Leute gut fühlen. Wer soll aber entscheiden, was davon gut oder schlecht ist? Und das noch für alle...Es gibt hunderte von verschiedenen Musikrichtungen. Und in den meisten Richtungen gibt es gute und schlechte Spielarten. Ich persönlich mache das Gut oder Schlecht deshalb nicht am Punk oder nicht fest.
Allerdings ist es doch besser, wenn die ganze Kohle, die zur Zeit mit dem Punkrock verdient wird, auch diesem zu Gute kommt.
Stimmt. Passiert ja auch zum Teil. Für mich ist Punk oder Bad Religion aber nur ein kleiner Teil meines Lebens. Ich interessiere mich auch für den Dreck, der außerhalb dieses Lebens passiert. Da geht ja schließlich viel mehr ab. Bad Religion ist somit nur mein Hobby. Es macht Spaß, ist aber nicht alles. Das wäre auch ziemlich Scheiße. Diese 'Früher war alles besser'-Einstellung, die oft propagiert wird finde ich auch ziemlich armselig. Das ist doch scheiße, von den guten alten Tagen, in denen Punk noch Punk war, zu reden. Das ist doch dann nichts anderes als das, was die Hippies mit ihrer ständigen Woodstock-Jammerei machen.
Ist die Bad Religion nicht auch Gewohnheit und Routine geworden? Jedes Jahr ne neue Platte, Tour, Promo, etc. ...
Das was Routine geworden ist, ist daß wir jedes Jahr Bad Religion sind. Wir ändern ja uns nicht in jedem Jahr. Wir sind nicht David Bowie, der immer anders erscheint. Bad Religion klingt immer nach Bad Religion. Das ist für uns o.k.. Schlimm wäre es, wenn Bad Religion wie Cheap Trick klingen würden. Und so geht das seid 16 Jahren. Wir sind halt nur Bad Religion und nicht die Beatles. Wir sind fünf Jungs, die in der Schule verprügelt wurden, und deshalb dachten, jetzt beweisen wir es mit unserer Musik.
Was soll eigentlich dieses 'All Ages'-Album auf Epitaph?
Keine Ahnung. Ich weiß nicht warum?
Hattet ihr da etwa keinen Einfluß drauf?
Das einzige, was ich weiß ist, daß uns Epitaph gesagt hat, daß sie dieses 'Best of...'-Album machen, und wir gesagt haben, daß wir nicht unbedingt sagen können, daß wir das für Gut befinden würden. Letztendlich hat Epitaph gesagt, daß es ihnen egal ist, sie machen das Album. So haben wir wenigstens geguckt, daß sie diese Songs drauf packen, die uns passen. Die Frage nach dem Sinn bleibt trotzdem ungeklärt. Aber es stört mich auch nicht sonderlich. Wie gesagt, BAD RELIGION ist nur ein Teil meines Lebens.
Was denkst du über die Reunion der Sex Pistols?
Cool!
Ist das der GREAT ROCK'N'ROLL SWINDLE part 2?
Ja klar. Es ist genau das, was es immer gewesen ist. Das war der Rock'nRoll immer. Guck dir an, wie das früher war. "Oh, du kannst Gitarre spielen. Wir kaufen dir ein Auto, dafür verkaufen wir deine Platten. Du hast ein Auto und wir machen Millionen.".
Unterschreibst du den Vertrag nicht, dann kannst du gehen. Da gibt es tausende andere Bands, die deine Rolle übernehmen wollen. Du machst nur Musik und bist austauschbar. Die Sex Pistols drehen das Ding um, und verdienen sich dumm und duselig. Außerdem lohnt es sich nicht, sich darüber aufzuregen. Schließlich kann jeder selbst entscheiden, ob er dorthin geht oder woanders hin.
Dem kann ich so nicht zustimmen. Schließlich hat Werbung und Promotion einen ganz gewaltigen Einfluß auf solche Entscheidungen. Vielen Leuten ist dies nur nicht bewußt!
Denkst du wirklich so?
Klar! Eine Band, die ständig in den Medien und in der Werbung präsent ist, wird zwangsläufig eher beachtet, als eine die qualitativ besser ist, dafür aber keine Promotion hat. Qualität is da kein Einfluß! Das ist sehr vielen Menschen nur nicht bewußt.
Das ist richtig. Ich bin jetzt davon ausgegangen, daß zwei verschiedene Bands dieselben Voraussetzungen haben. Aber letztendlich steht niemand mit ner Pistole hinter dir und sagt, "Kauf die oder ich erschieß dich". Ich glaube, letztendlich entscheidet doch jeder selbst. Warum mögen die Leute TAKE THAT? Ich weiß es nicht. (für mich genau der Punkt, da hier ja wohl keinerlei Qualitätsmaßstäbe angelegt werden, sondern einzig und allein Werbemechanismen greifen.)
Hier tritt Promomäuschen Danielle wieder auf den Plan, um uns mitzuteilen, daß unsere Viertelstunde schon vorbei ist, und draußen andere Leute warten. Wir sollen gehen, aber Jay vertröstet sie, indem er sagt, daß er in einer Minute fertig ist. Sie verläßt die Szenerie.
Das wäre das, was mich am meisten am Major ankotzen würde.
Geht mir genauso, aber jetzt machen wir weiter.
Warum hat Brett die Band verlassen?
Weil Brian unser neuer Gitarrist ist. Nein, beides, Epitaph und Band, war wohl zuviel für ihn.
Hat das Bad Religion-Symbol, das durchgestrichene Kreuz heute noch eine Bedeutung für euch?
Es hat nie eine besondere Bedeutung gehabt. Wir haben es nur gewählt, weil es provoziert hat. Es ist einfach an die Wand oder auf die Jacke zu sprühen, und die Leute regen sich darüber auf. Das war der einzige Sinn und Zweck dieses Zeichens. Mehr nicht.
Für viele Leute ist Punkrock eine Religion....
Das ist traurig, da man nie irgend etwas kritiklos hinnehmen oder aufnehmen sollte. Das Leben ist halt immer von Veränderungen geprägt. Ignorierst du die, dann wirst du nie lernen. Wenn du auf ner kleinen Insel lebst, dann wirst du die Veränderungen niemals erfahren, und dich darauf einstellen.
[Aber manche Veränderungen muß man nicht unbedingt mitmachen. Außerdem passieren viele Veränderungen so schnell, daß man sie überhaupt nicht versteht oder damit umgehen kann. Da ist es doch auch ganz schön, wenn man einen ruhenden Pol hat, der sich nicht verändert.
Okay, das verstehe ich. Ein 15jähriger, der sagt, "Ich bin ein Punk!", der braucht dazu nichts zu sagen. Es reicht einfach. Die Leute wissen Bescheid. Er tut zwischen 15 un 21 nichts anderes als die Scheiße rauszulassen. Dann ist er 21 und arbeitet in einer Bank. (alle liegen merkwürdigerweise am Boden vor lachen)...weil er vielleicht Familie hat und hierfür Geld haben muß, damit sie überleben. Es ist nicht alles so einfach....
Wieder platzt unsere SONYiette in den Raum. Diesmal etwas entschlossener.
Wir fangen gerade an aufzuhören. Ist okay.
Danielle: Aber da ist noch ein anderer Journalist, der mit der reden will.
Er soll ruhig reinkommen.
[Wir haben nix dagegen!
Danielle (im Oberlehrerton): Das geht nicht, davon verstehst du nichts.
Er kann trotzdem kommen.
Sie geht aus dem Raum, ohne die Tür zu schließen.
Weiß gar nicht warum die ein solches Problem hat. Das ist doch ganz einfach zu lösen. Mit Euch ging das doch auch ganz einfach. Ich sitze doch hier. Ich kann das echt nicht ab, wenn sich Leute so wichtig tun. Wir haben doch ein phantastisches Gespräch. Jetst kommt da wahrscheinlich jemand, der mich fragt: 'Do you like the colour green?'. So will halt jeder aus einer anderen Richtung was von dir. Du kommst dir vor wie ein Alien, dabei willst du menschlich sein. Aber das ist dir nicht erlaubt. (lacht) Jeder will dich in seine Richtung ziehen.
Klar, wollen wir auch. Schließlich muß ich meinen Freunden erklären, warum ich eure neue Scheibe gut finde. Also jetzt 'ne Frage für unsere Leser. Hast du schon mal total viel Scheiße in einem Interview von dir gegeben, weil du total besoffen warst?
Ne, da hab' ich bisher Glück gehabt. Ich halte dann meistens meine Fresse. Ich sage nichts, wozu ich nicht stehen kann. Das hat mir mein Pappa beigebracht. Fragt weiter.
Ich habe Angst!!! Vielleicht tötet sie uns....
Mittlerweile plaziert die Sony-Promofrau die wichtige Presse.
Gleich höre ich euch schreien, wenn ihr den Raum verlaßt.
Jetzt hab' ich noch mehr Angst!!!! Wir hauen lieber ab.
Anyway, schließlich haben wir die Zeit verdreifacht, und durch die ständigen Unterbrechungen von Frau Neunmalwichtig ist der Gesprächsfaden eh gerissen. Danach geleitete uns Madmoiselle Danielle (ähem Danielle V) in den Fahrstuhl, um sicherzustellen, daß wir ihren Schütling ja in Ruhe lassen. Nicht ohne uns zu belehren, daß wir noch einiges zu lernen hätten. Sie hätte es nicht nötig, sich von uns vor ihrem Künstler (O-Ton) lächerlich machen zu lassen. Wir könnten froh sein, überhaupt ein Interview mit BAD RELIGION zu haben. Die anderen Leute wären schließlich sehr viel wichtiger. Und ihre Arbeit würde sie von so dahergelaufenen Leuten, wie uns Fanziner, nicht kaputt machen. Darauf bekam sie letztendlich von mir zu hören, daß sie sich mal lang unten beipacken kann. Schließlich ist sie es, die dankbar sein kann, daß wir uns dazu herablassen ein Interview mit 'ner Major-Band zu machen, was für unseren Ruf eindeutig schädlicher ist. Außerdem könne sie sich auch darauf einstellen, daß sich Punks nichts von 'ner Tussie mit Oasis-Jacke erzählen lassen. Wenn sie und ihr
beschissener Arbeitgeber es für nötig halten, unbedingt einen auf 'punkrock' zu machen, dann müßte sie auch mit den Konsequenzen leben. Ach, ich sag' euch, daß macht das Leben so schön. Normalerweise kriecht wahrscheinlich jeder Presse-Heini vor ihr, damit er weiter die tollen Major-Anzeigen bekommt, nur wir haben es nicht nötig. Astrein auch, daß sie allen Klischees entspricht, die ich mir so vorgestellt hatte. Die Welt scheint noch in Ordnung. Da ist doch noch verdammt viel Unterschied zu den Leuten, die in unserer Szene erfolgreich arbeiten, und schon den Vorwurf bekommen, genauso scheiße zu sein, wie Majors. Long long, da sind noch Welten dazwischen. Ach ja, kaufen braucht ihr die CD ja auch nicht, schlielich gibt es ja noch tolle Sony-Cassetten, auf die man das Teil kopieren kann....
Swen.