Category: | Review - Internet | Publish date: | 1/11/2013 |
Source: | spiegel.de (Germany) | ||
Synopsis: |
True North
Ja, ja, so ist das: Man wird älter und fühlt sich eines Tages den Dingen, die man vor zwölf Jahren innig liebte, entwachsen, ja gewissermaßen sogar dem eigenen Selbst von damals (das einem neuerdings manchmal sogar ein bisschen peinlich ist) und gibt anderen, die diese Entwicklung nicht mit- oder auch bloß in eine andere Richtung vollzogen haben, die Schuld daran - statt dieses Gefühl des Entwachsenseins als Erkenntnisfortschritt, als Beginn eines neuen, womöglich interessanteren, erfüllenderen Lebensabschnitts einfach für sich zu feiern und die, die noch immer Panini-Bilder sammeln/Smashing Pumpkins hören/für Musik bezahlen/der viertletzten Beziehung nachtrauern, in Ruhe zu lassen. Gutes Beispiel: Die mal lediglich dümmlichen, mal schulmeisterlichen, mal ausdrücklich gehässigen Leserbrief- und Facebook-Einlassungen zum neuen Meisterwerk von Tocotronic (beliebtes killer argument: "Ich muss das Album nicht hören, um es scheiße zu finden") - oder die Rockgruppe Bad Religion. Eine Erwähnung dieser muffig-reaktionären JUZ-Kapelle mit Beatles-Komplex, Dozent am Mikro und einigen echten Anliegen bei Abgehört? Nicht mit uns! Seltsamerweise kann sich ein Großteil meines Freundeskreises auf Bad Religion einigen - und zwar nicht nur auf die offensichtlichen Klassiker "Suffer", "No Control" und "Against The Grain", nein, wir finden bis einschließlich "The Gray Race" prinzipiell alles geil, und werden nun auch "True North" kaufen müssen: Die beste Bad-Religion-Platte seit dem überragenden "Recipe For Hate" aus dem Jahr 1993. Davon abgesehen ist zu den 16 überwiegend kurzen, präzise gesetzten Stücken, in denen geholzt und gejodelt wird bis die Kühe nach Hause kommen, nicht viel zu sagen. Entspannen Sie mit Bad Religion - zwischen zwei Burial-Alben oder auf dem Weg zum nächsten Krankenhaus.
7.0
- Jan Wigger