Category: | Article - Newspaper | Publish date: | 7/14/2010 |
Source: | Berner Zeitung, July 14, 2010 (Switzerland) | With: | - |
Synopsis: |
Punk-Paten mit Doktortitel auf dem Gurten
Mit dem Auftritt von Bad Religion beginnt morgen das Gurtenfestival. Die Band aus L.A. spielt das erste Mal auf dem Berner Hausberg. Vor dreissig Jahren begründete sie den Punkrock mit.
Im Jahr 1982 erschien an den Hauswänden in und um Los Angeles plötzlich ein seltsames Symbol: ein schwarzes Kreuz auf weissem Hintergrund, rot umrahmt und durchgestrichen. Es war das Logo der Band Bad Religion, die kurz zuvor ihr erstes Album veröffentlicht hatte. «How Could Hell Be Any Worse» hatte auf die aufkeimende Punkszene an der Westküste der USA eine tief greifende Wirkung. Das sogenannte «Crossbuster» ist bis heute das Logo der Band und sei – wie auch der Bandname – als Metapher gegen jegliche vorgeschriebene Lebensweise zu verstehen, erklärt Sänger Greg Graffin bis heute. In diesem Jahr feiern Bad Religion ihr dreissigjähriges Bestehen. Zum Jubiläum schenkten sie den Fans ein Livealbum kostenlos zum Download. Und sie begaben sich auf eine grosse Tournee, die die Band am Donnerstag erstmals auf den Gurten führt.
Melodien und Sozialkritik
Die Haare der Bandmitglieder sind grauer und dünner geworden seit 1980. Damals traf der 15-jährige Greg Graffin, der eben erst aus dem beschaulichen Wisconsin hergezogen war, in seiner Highschool im San Fernando Valley im Nordwesten von L.A. auf den Gitarristen Brett Gurewitz und den Bassisten Jay Bentley. «Ich hatte nichts ausser einem geliehenen Mikrofon und den Kopf voller antiautoritärer Ideen», sagt Sänger Graffin rückblickend. Im damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan und in seinen christlich-konservativen Anhängern hatten die jungen Musiker Feindbilder, gegen deren Ideen sie anspielen wollten. Die Band aus dem «Valley» verschaffte sich mit ihrem melodiösen Punk und den sozialkritischen Texten rasch Anerkennung in der L.A.-Hardcore- und Punkszene – nur um sie mit dem zweiten Album wieder zu verspielen.
«Into the Unknown» wurde zum missratenen Versuch, Punk mit Progrock aus den 70er-Jahren zu vermischen. Der Flop bedeutete 1983 beinahe das Ende der Band. Erst 1985 fanden Graffin, Gurewitz und Bentley wieder zusammen, zudem stiess Greg Hetson – als Ex-Mitglied der Punkpioniere Circle Jerks eine Legende der Szene – als Gitarrist zur Band. Mit dem Album «Suffer» gelang dieser 1988 ein glanzvolles Comeback. Bad Religion wurden zum Vorreiter der Melodic-Punk-Welle, die in den 90er-Jahren mit Bands wie The Offspring und Green Day ihren Höhepunkt erreichte. Bad Religion unterstützten diese Bands mit dem von ihnen gegründeten und noch heute von Gurewitz geführten Plattenlabel Epitaph. Bad Religion wiederum profitierte selber vom Punkboom der 90er. So beschloss die Band 1994, die Platten künftig von Sony Music veröffentlichen zu lassen.
Streit und Versöhnung
Der Entscheid, bei einem Giganten der Industrie zu unterschreiben, führte zu Kritik der Fans und intern zu Konflikten. Gurewitz, der sich das Songwriting mit Graffin teilte, kämpfte zudem seit einiger Zeit mit Drogenproblemen. Er verliess die Band im Streit, um sich seiner Gesundheit und dem Plattenlabel Epitaph zu widmen. Den Verlust verkraftete Bad Religion schlecht, obwohl Graffin als alleiniger Songschreiber alles tat, um den Abgang zu kompensieren, und mit Brian Baker eine weitere amerikanische Punkrockikone als neuen Gitarristen in die Band holte. 2000 steuerte Gurewitz, der zuerst clean geworden, und dann Epitaph zu einem Millionenunternehmen ausgebaut hatte, einen Song auf dem Album «The New America» bei. Wenig später wurde er wieder reguläres Mitglied bei Bad Religion, und die Band beschloss, zum Label Epitaph zurückzukehren. Seither veröffentlichen die Veteranen alle zwei bis drei Jahre ein neues Studioalbum. Das nächste, das mittlerweile 15., ist für September angekündigt.
Wussten Sie, dass ?
...Bad-Religion-Sänger Greg Graffin (45) Doktor in Biologie ist und 2006 ein Buch veröffentlicht hat, in dem er mit einem gläubigen Englischprofessor über die Rolle von Religion im täglichen Leben debattiert?
...Bad Religion 1996 eine deutsche Version ihres «Punk-Rock-Song» veröffentlicht hat? Dies als Hommage an ihre vielen deutschsprachigen Fans.
...das erste Bad-Religion-Video («Atomic Garden», 1992) vom damals noch unbekannten Gore Verbinski gedreht wurde? Der Regisseur war zuletzt mit den ersten drei Teilen von «Fluch der Karibik» mit Johnny Depp in der Hauptrolle erfolgreich.
- Alexander Wäfler