Das Paradoxon des Punk
Viel zu leichtfertig wird heutzutage das Etikett "Legende" als Attribut an Bands vergeben. Eine der wenigen, die den dafür nötigen Eigenschaften jedoch vollends gerechtwerden, sind die sechs Herren von Bad Religion. Seit nunmehr fast 40 Jahren liefern die Kalifornier mit bissigen und sozialkritischen Texten Einsichten in Bereiche des Punkrock, die man auf den ersten Blick nicht zu erahnen vermag. Frontmann Greg Graffin gewährte uns anlässlich des pressfrischen Werks "Age Of Unreason" eine Audienz und ließ tief in die hoffnungsvolle Seele von bald vier Dekaden des Kampfes gegen Ressentiments, Stereotypen und politische Blindgänger blicken.
Eingangsfragen in Interviews sind oft bereits Wegweiser, die bestimmen, ob sich ein Gespräch positiv oder negativ entwickelt. Wenn du deine mittlerweile unzähligen Interviews Revue passieren lässt, gibt es da Fragen, die dir einfach schon zum Hals raushängen?
Oh ja! Die erste Frage, die ich meistens am Beginn gestellt bekomme, lautet: "Was hat es denn mit eurem Namen auf sich?" (lacht)
Okay. Kann ich verstehen, dass es nervt ein und dieselbe Sache immer wieder erklären zu müssen.
Viele Leute finden den Namen einfach sehr verwirrend. Die einen meinen wir sind total antireligiös oder gar Satanisten, andere wiederum vermuten hinter BAD RELIGION vielleicht sogar eine Speed Metal-Truppe. (lacht)
Was antwortest du dann meistens darauf?
In dieser Sache gibt es von uns immer schon eine klare und ehrliche Antwort. Wir haben immer betont, dass unser "Crossbuster"-Bandsymbol nie als ein Akt der Aggression oder des Hasses gegenüber Religion im Allgemeinen gesehen werden darf. Wir nutzen es als ein internationales Symbol, um den Leuten zu zeigen, dass unsere Antworten zu den großen Fragen der Menschheit nichts zu tun haben mit jenen konventionellen Antworten, die einem von der Bibel gegeben werden. Bad Religion hatten schon immer den Anspruch, die Menschen wachzurütteln und sie aus ihrer teilweise stark vorhandenen Ignoranz aufzuwecken.
Als politisch interessierte und engagierte Band werdet ihr sicher oft über eure Meinung zum aktuellen US-Präsidenten gefragt. Ärgert euch die Tatsache, dass so gut wie alle Fragen zum politischen Geschehen eures Heimatlandes auf seine Person reduziert werden?
Wir haben eigentlich schon immer versucht unsere politisch relevanten Botschaften unabhängig von der Person des Präsidenten klar zu artikulieren. Auch in den Zeiten, in denen wir einen guten Präsidenten hatten - und ich bin der Meinung, dass Barack Obama eigentlich ein ziemlich guter Präsident war - haben wir als Band immer Musik gemacht beziehungsweise Alben veröffentlicht und unsere Anliegen versucht so klar wie möglich zu vermitteln. Darüber hinaus gibt es auch in Zeiten einer positiven Präsidentschaft immer noch viele dumme und ignorante Menschen im öffentlichen Leben. Das ist leider ziemlich schade. Manchmal werden solche idiotischen Menschen dann auch noch zum Präsidenten gewählt. (lacht) Das ist einfach ein wirklich großes Problem.
Da kann ich dir nur zustimmen. Ähnliche Tendenzen gibt es in Europa auch. Viele US-Bands, die durch Europa touren, betonen explizit, dass sie Trump nicht gewählt haben, manche entschuldigen sich regelrecht für ihn. Bekommen wir dadurch in Europa manchmal ein falsches Bild von der amerikanischen Gesellschaft vermittelt?
Ich denke mir, dass du dir als Einwohner eines Landes immer wünschen würdest, dass dein Präsident alle Menschen des Landes gut und sinnvoll vertritt. Ich sehe da absolut keinen Grund sich für ein schlechtes Staatsoberhaupt zu entschuldigen, vor allem wenn du weißt, dass du ihn weder unterstüzt noch gewählt hast. Mit BAD RELIGION haben wir immer versucht Themen zu adressieren, bei denen wir der Meinung waren, dass sie von Bedeutung sind. Wir haben uns auch immer Sorgen gemacht, ob wir mit unseren Botschaften auch die gebildeten und intelligenten Menschen in dieser Welt wirklich erreichen. Wenn man hier den Fokus zu sehr auf das Amt und die Person des Präsidenten legt, übersieht man die tiefgründige politische Philosophie, die BAD RELIGION versuchen zu transportieren.
Nichtsdestotrotz berichten und diskutieren wir Europäer nur allzu gerne über den bösen US-Präsidenten. Wenn man es jedoch genauer betrachtet haben wir ähnliche Baustellen mit Rassisten und Nationalisten in verschiedenen Regierungen Europas. Inwieweit beschäftigt ihr euch mit politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen außerhalb der USA?
Diese Entwicklungen sind definitiv auch Dinge, die uns beschäftigen. Die Welt wird aktuell immer homogener und jeder spricht gerne über die Verschlagenheit, welche uns allseits umgibt. Die Wahrheit ist, dass Länder überall auf der Erde ähnliche Entwicklungen durchmachen. Und es stimmt auch, dass dem leider aufstrebenden rechten Flügel überdurchschnittlich viel Aufmerksamkeit, vor allem medial, geschenkt wird. Aber ich behaupte immer noch, dass die Rechten eine Minderheit der Öffentlichkeit darstellen und keineswegs die Mehrheit der Gesellschaft repräsentieren. Ich denke es liegt im Moment ziemlich im Trend, in den Medien darüber zu reden. Wenn du hingegen eine Geschichte über die Durchschnittsbürger in Amerika machst, wird das nicht wirklich viel Aufmerksamkeit generieren. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sich viele Menschen die Geschichte dann ansehen oder sie lesen. (lacht) Es dreht sich wie gesagt in erster Linie um das Erhaschen von Aufmerksamkeit in Form von Clicks im Netz und so weiter. Über durchschnittliche Menschen zu berichten ist meist eher langweilig und daher auch für einen Großteil der Menschen ziemlich uninteressant und wenig aufregend.
In den Songtexten äußerst du dich entschieden kritisch über Missstände in Politik und Gesellschaft. Hast du jemals ernsthaft daran gedacht selbst Politiker zu werden?
Nein. Das ist kein Job, für den ich mich wirklich interessieren würde. Es ist definitiv kein einfacher Job und ich habe es immer gesagt beziehungsweise hatte immer das Gefühl, dass es eine Pflicht ist, das zu tun,
Only 1/3 of the interview is displayed here. The rest of the interview can be found in SLAM #103, which is available as a back issue.