" … No BAD RELIGION song can make your life complete … "
Greg Graffin in "No Direction" vom Album "Generator"
Wieviele von Euch waren bereits 1982 BAD RELIGION-Fans?", richtet sich Sänger Greg Graffin an die Zuschauer der WDR-Rocknacht in der Düsseldorfer Philipshalle. Aus 8.000 Kehlen ertönt ein zustimmender Schrei. "Liars" (Lügner) lautet die eher sarkastische Antwort der Band.
Doch irgendwie haben sie ja recht! Das große BAD RELIGION-Fieber brach erst im Jahre 1988 aus, mit "Suffer" legte die Band ihr bis dato bestes Album vor und kam anschließend zum ersten Mal nach Europa. 1992, also nur vier Jahre später, kann die Band auf einen kometartigen Aufstieg zurückblicken: ob Peace-Punk, Metaller, Straight Edger oder Kiffer mit Cowboystiefeln - BAD RELIGION sind 'everybody's darlings'. Das hat zur Folge, daß Greg Graffin (voc.), Greg Hetson (guit.), Mr. Brett (guit.), Jay Bentley (bs.) und Neuzugang Bobby Schayer (dr.) nicht mehr vor 400 Zuschauern im Berliner Blockschock ihre Songs zum besten geben, sondern auch schon mal 15.000 zum Open Air in die Wuhlheide (mit den SISTERS OF MERCY) pilgern. Am absolut zielgruppenkompatiblen Gesamtsound hat sich indes nicht viel geändert: "Suffer" (1988), "No Control" (1989, Erstauflage mit Bonus 7"), "Against the Grain" (1990) und "Generator" (1992) weisen eine Kontinuität auf (von scharfen Kritikern auch als Nichtentwicklung empfunden).
Nein, diesmal enthält unser BAD RELIGION-lnterview keine tiefschürfenden Textinterpretationen oder globalpolitischen Fragestellungen. Grund: die Interviewpartner. Nicht Greg Graffin stand mir Rede und Antwort, sondern die Chaoten Jay und Brett, die eben alles nicht so ernst nahmen (mich teilweise leider auch nicht). Greg studiert mittlerweile in New York und "residiert mit Frau und Baby dort in einem Haus", zumindest laut Brett. Legt also nicht jedes Wort auf die Goldwaage, von dem, was die beiden vom Schreibtisch ihres eigenen Labels Epitaph aus so verlauten ließen.
Erst mal interessierte mich, mit welchem Song BAD RELIGION die live im Radio übertragene WDR-Rocknacht eröffneten. lch tippte nämlich schwer auf eine mir unbekannte Coverversion. "Oh, 'Generator'", zeigt sich Jay erstaunt von meiner Frage. Natürlich war's nicht 'Generator', das hätte ich ja noch gerade so erkannt. Brett Gurewitz, neben seiner Tätigkeit bei BAD RELIGION auch noch Produzent im Westbeach Studio, L.A., erinnert sich ein wenig besser: "Es war 'V', ein extra für unseren Soundcheck komponierter Track. Der Song hat nur einen Akkord. Hat er Dir gefallen?" Ich bejahe und stelle in für Metaller wohl typischer Akribie fest, daß es sich hierbei offensichtlich um einen noch unveröffentlichten Song gehandelt habe. "Yes", bestätigt Brett, und weiter etwas genervt wirkend: "Das war Greg Graffins ldee, mit diesem Stück anzufangen."
Mit Bands wie HAPPY HOUR und NO FX zusammenzuspielen oder nach PLAN B (auf der WDR-Rocknacht) bzw. vor den SlSTERS OF MERCY (Go Bang-Festival) auf die Bühne zu gehen, das sollte doch einen Unterschied machen, dachte ich zumindest. Brett sieht das aber anders: "Es ist ja immer noch ein alternatives Publikum. lch kann auf die Gewalt bei HC-Gigs verzichten... lch will das jetzt nicht weiter ausführen. Eigentlich ist es egal, wie die Leute aussehen, die zu unseren Gigs kommen, Hauptsache sie mögen unsere Musik. Die Qualität unserer Konzerte verändert sich kein bißchen durch die Bands, mit denen wir spielen. Wir verbessern höchstens die Qualität der SISTERS OF MERCY-Show."
Limitierte Auflagen kennen wir ja mittlerweile auch aus dem HC-Bereich zur Genüge. Nur, Singles mit einem einzigen Song und etched Vinyl (in die Platte gekratzte Botschaften) als Rückseite, das hätte ich eigentlich höchstens von KISS oder MADONNA erwartet, nicht jedoch von BAD RELlGlON... Brett führt die Angelegenheit näher aus: "Diese Single ist ja nicht auf Epitaph erschienen, Epitaph bringt keine 7"s heraus. lch habe einen Freund namens Long Don John (ho, ho Anm. d. Verf.), dessen Label heißt 'Sympathy for the Record lndustry'. Um ihm einen Gefallen zu tun, haben wir eben den Song 'Atomic Garden' auf dieser Single herausgebracht, weil wir dadurch auch Radio-Airplay erreichen wollen. Diese 7" ist allerdings nicht limitiert, es werden so viele gepreßt wie auch verkauft werden können. lhr braucht also nicht 50,- DM wie für die 'Bad Religion' EP hinzublättern." Da bin ich ja beruhigt. lch hab' mich nämlich schon über die "Gabba Gabba Hey" RAMONES -Tribute Compilation-CD aufgeregt, für die ich mehr als 30,- DM hingeblättert habe, um dann vom BAD RELIGION-Beitrag "We're a happy Family" arg enttäuscht zu werden.
Coverversionen als nächster Stichpunkt. Jay: "Klar, wir mögen die RAMONES. Es war der einzige Song von ihnen, den wir alle spielen können." Brett: "Wir haben den Track live beim Soundcheck in Mexiko gelernt und aufgezeichnet." Der Sound ist aber ziemlich mies! Brett: "Es ist ja auch kein STYX-Coveralbum sondern ein RAMONES-Coveralbum." Nach eigener Aussage hätten BAD RELIGION auch bei der DEAD KENNEDYS Cover-Compilation "Virus 100" mitgemacht, doch keiner hat sie gefragt. Bad Luck! Aber Jay hat da eine ldee: "Wir sollten so eine Art Coversong-Medley machen, im Stile von 'Stars on 45'. Wir spielen die Hooks von zehn Punkrock-Klassikern und zeichnen das dann live auf DAT auf. Wenn jemand nach einem Song von uns für seine BUZZCOCKS-, TALKING HEADS-, oder DEAD KENNEDYS-Compilation fragt, dann haben wir immer etwas parat." Brett sieht die ganze Sache aus dem philosophischen Blickwinkel: "Was wir alle daraus lernen können ist folgendes: Nach zwölf Jahren haben BAD RELIGION endlich gelernt, wie man zwei Vögel mit einem Stein tötet. Oder war es ein Vogel mit zwei Steinen? Das ist unser Schlüssel zum Erfolg."
Dementsprechend müßte BAD RELIGION heutzutage schon die größte Punk-Band aller Zeiten sein, größer als die DEAD KENNEDYS und größer auch als die SEX PISTOLS. lch geb's ja zu, obwohl sie vielleicht ähnlich viele Platten verkaufen wie jene beiden Acts, war die Frage wirklich saublöd. Natürlich kontert Brett mit der lronie als eine seiner stärksten Waffen: "lch denke, daß wir die größte Punk-Band aller Zeiten sind. DEEP PURPLE und LED ZEPPELIN in einem. Das ist aber ungefähr genauso, als ob du sagst, der Schokoriegel X schmeckt am besten." Nun, aber Spaß beiseite! Es ist immerhin Fakt, daß BAD RELIGION kürzlich ihren ersten Charteinstieg in Deutschland feiern konnten (Platz Nr.49). Das wiegt umso schwerer, da es sich ja bei allen BAD RELIGION-Produkten immer noch um lmporte handelt, d.h. die Läden haben kein Rückgaberecht. Das Zeug ist also so gut wie verkauft und nicht nur in die Läden gestellt (wie bei so manchem Major-Hype). Was kann die Band denn nun noch davon abhalten, so groß wie NIRVANA zu werden? Brett: "lch werde versuchen, die Songs dafür zu schreiben. Ruf' mich also nächstes Jahr um dieselbe Zeit noch einmal an und wir werden sehen, was daraus geworden ist. Wir müssen allerdings noch sehr viel Heroin nehmen, um so groß wie NIRVANA zu werden. lch bin mehr als bereit dies zu tun. Wir tun alles für unseren Erfolg."
O.K., zum Abschluß könnte ich Euch jetzt noch erzählen, daß BAD RELIGION ihren Drummer im 'Mac Donalds Drive Thru' kennengelernt haben (stimmt nicht) oder, daß er der zweite Mann bei den Auditions war und eigene Sticks hatte, was letztendlich den Ausschlag für ihn gab (stimmt vielleicht). lnteressant wären bestimmt auch noch Jay's Ausführungen über die kranken Fotos im lnlet von "Generator" ("...das Foto mit der Büste von Goethe ist von einem Spionage-Code aus dem 2. Weltkrieg überlagert, der allerdings nicht dechiffrierbar ist...") oder Brett's Bekenntnis, daß die Band nicht vor sondern nur nach LP Aufnahmen übt (damit sie die LP-Songs live spielen können), ansonsten aber nie im Proberaum anzutreffen ist. Wir sind allerdings ein seriöses Magazin und so will ich mit einer Stellungnahme von BAD RELIGION zum Go Bang-Festival dieses denkwürdige lnterview schließen: "Remember, PEARL JAM opened for us!"
- Bericht: M.M.
Fotos: Simone + Kim Bockus