Category: | Interview - Magazine | Publish date: | 5/1/2000 |
Source: | Uncle Sally*s #56 (May 2000) (Germany) | With: | Brian Baker, Jay Bentley |
Synopsis: |
Seit vier Monaten hatten sich die Mitglieder von BAD RELIGION nicht mehr gesehen und buchten nach ihrer Ankunft in Berlin zunächst die Räume des Pool Clubs, um die Songs des neuen Albums 'The New America' noch einmal gemeinsam zu proben. In lockerer Atmosphäre haute man des öfteren daneben und am folgenden Morgen trafen wir auf die gutgelaunten Brian Baker und Jay Bentley, um mehr über das neue Album, die Zusammenarbeit mit Brett Gurewitz und die bevorstehende US-Tour mit BLINK 182 zu erfahren.
Im Gegensatz zu euren letzten Album macht 'The New America' einen wesentlich positiveren Gesamteindruck, haben sich BAD RELIGION von der blanken Agiation verabschiedet und suchen vermehrt Lösungsansätze?
Brian: 'Das stimmt, wir beklagen uns nicht mehr so viel wie zuvor, sondern haben versucht, unsere Sicht der Dinge einmal zu überarbeiten. Natürlich geht es im Großen und Ganzen noch immer um BAD RELIGION-typische Themen wie die Zerstörung der Gesellschaft und die Abgründe zwischenmenschlicher Beziehungen, aber mit einem durchaus optimistischen Unterton. Diese Herangehensweise an 'The New America' war eine bewusste Entscheidung. Wir haben uns gefragt ob wir nicht in der Lage sind, über die positiven Dinge des Lebens genauso leidenschaftlich zu schreiben wie in der Vergangeheit über etwaige Misstände.'
Jay: 'Die Umsetzung war natürlich in erster Linie Gregs Aufgabe. Wir haben uns bereits seit 'No Substance' mit dieser Frage auseinandergesetzt, denn als Bandmitglied musst du dich mit den Texten deines Sänger identifizieren können. Das ist zumindest meine Meinung. Wir fragten uns also, was wir textlich eigentlich repräsentieren, und nachdem die Songs auf 'The Gray Race' und 'No Substance' in erster Linie Gregs Sicht der Dinge darstellten, ist der Grundton der Songs auf 'The New America' wesentlich hoffnungsvoller. Das entsprach dem Grundtenor der Band und das hat Greg auch beachtet.
Brian: Wir sind alle älter geworden und finden immer mehr Gründe, die das Leben lebenswert machen. Deshalb wäre es falsch gewesen, noch eine Platte zu veröffentlichen, auf der wir uns über alles und jeden aufregen. Das können KORN und SLIPKNOT mittlerweile besser.'
'The New America' wurde mit Produzent Todd Rundgren auf Hawaii aufgenommen. Welchen Einfluss hatten Produzent und Umwelt auf die Aufnahmen?
Brian: 'Todd lebt auf Hawaii und für mich persönlich war der Gedanke an ein relaxte Arbeit bei sommerlichen Temperaturen sicher nicht abschreckend.'
Jay: 'Im Vergleich zu anderen Alben waren die Aufnahmen zur neuen Platte wie vier Wochen im Paradies. An 'No Substance' arbeiteten wir in Ithaca, Gregs Heimatstadt, und das hätte mich fast umgebracht. Das waren die schlimmsten Wochen meines Lebens, tote Zeit, man konnte nicht raus, es war Winter, die Leute waren schrecklich, es war die pure Hölle. Auf Hawaii gab es außerhalb des Studios auch nicht viel zu tun, aber man war wenigstens in der Sonne! Wenn man ein Album aufnimmt, sollte man sich irgendwo verkriechen, aber am besten an einem Ort, an dem man sich wohlfühlt und Hawaii war so ein Ort. Deshalb ist 'The New America' auch so eine fröhliche Platte geworden.'
Brian: 'Todd Rundgren ist ein exzellenter Musiker und außerdem Gregs Jugendidol. Seinetwegen hat Greg damals mit dem Singen begonnen. Und wir haben uns gedacht, dass wenn Gregs Idol unsere Platte produziert, dann legt der sich auch noch mehr ins Zeug.'
Jay: 'Gleich nach unserer Ankunft hat Todd erstmal unsere Verstärker beseitigt. 'Die braucht ihr nicht', hat er gesagt und ich sagte: 'Oh doch, mein Freund, die brauche ich!' Ich habe bisher alle Platten mit meinem Amp eingespielt. Aber im Laufe der Zeit habe ich mich daran gewöhnt, meinen Bass nicht in einen Verstärker zu stöpseln, sondern direkt in den Computer und glaub' mir, Todd verpasste uns mit seinem Macintosh mehr Saft als alle Marshalls der Welt gemeinsam.'
Entstand 'The New America' aus dem Willen, neues Material zu veröffentlichen oder spielte dabei die Erfüllungsklausel des Plattenvertrages ein Rolle?
Brian: 'Das Album entstand, weil wir eine Menge neue Songs geschrieben hatten, weit mehr, als auf 'The New America' zu hören sind.'
Jay: 'Wenn eine Band ein Album aus vertraglichen Gründen veröffentlicht, dann ist das meist ein Doppel-Livealbum ohne einen einzigen neuen Song. 'Hier, berechnet das als zwei Platten, leckt mich!' That's the big ending of a contract ...' Gerüchte besagen, dass ihr erstmals seit 1994 wieder gemeinsam mit Brett Gurewitz (Ex-Bandmitglied und Chef des Kalifornischen Punklabels 'Epitaph') an einigen Songs gearbeitet habt, ist da was dran?
Jay: 'Ja, das stimmt. Er schrieb einen Song für das Album namens 'Believe It'. Er schrieb den Song gemeinsam mit Greg, kam aber für die Aufnahmen nicht nach Hawaii. Wir schickten ihm das fertige Band nach LA und er spielte das Gitarrensolo ein, das war auch schon alles. Mehr wollte er auch gar nicht, sonst wäre er sicher auch mit nach Hawaii gekommen.'
War das für Brain nicht eine unangenehme Situation, schließlich hast du einst Brett ersetzt?
Brian: 'Nein. Ich habe keine Ahnung, was es damals für Probleme zwischen Brett und der Band gegeben hat, aber ich war die Lösung. Ich weiß, dass die Sache etwas delikat erscheinen mag, aber bevor ich Teil von BAD RELIGION geworden bin, fand ich Bretts Songs besser als Gregs. Deshalb hat es mich gefreut zu hören, dass er an neuen Songs für die Band arbeitet.'
Jay: 'Die Trennung von Brett lief genauso ab, wie das Ende einer Freund/Freundin-Beziehung. Es wurde ein bisschen schmutzige Wäsche gewaschen, aber das ist jetzt ausgestanden. Ich muss ehrlich zugeben, dass ich ihn des öfteren auch vermisst habe, und das ging ihm mit Sicherheit genauso, sonst hätte er wohl auch kaum am neuen Album mitgearbeitet.'
Brian: 'Normalerweise schreibe ich auch Songs, als ich aber von Bretts Beteiligung gehört habe, habe ich mich komplett aus dem Songwriting zurückgezogen. Ursprünglich war geplant, dass Brett vier oder fünf Songs für das neue Album schreibt, aber es wurde schließlich nur einer. Ich schreibe gern, wenn Material benötigt wird, aber in diesem Fall war mein Job nicht das Songwriting, sondern nur, Gitarrenparts zu Gregs Songs zu entwickeln. Und das befriedigt mich völlig.'
Nach diesen drei Konzerten in Deutschland steht für Mai und Juni eine US-Tour im Vorprogramm von BLINK 182 an. In meinen Augen ist das Blasphemie.
Brian: 'So würde ich das nicht nennen, denn das suggeriert, dass BAD RELIGION aufgrund ihrer Geschichte eine Position innehaben, die in der Realität gar nicht gegeben ist. Wir wollen mit unserer Musik einfach so viele Leute wie möglich erreichen und da macht es mehr Sinn, vor 25.000 Leuten im Vorprogramm von BLINK 182 aufzutreten, als vor 5.000 BAD RELIGION-Fans, denn die haben ja bereits alle unsere Platten. Versteh' mich richtig, uns geht es hierbei nicht um die Anzahl von verkauften Platten, sondern vielmehr darum, die Kids, die noch nie etwas von uns gehört haben, auf BAD RELIGION aufmerksam machen. Und wenn nur 100 BLINK-Fans nach dem Konzert in den Plattenladen gehen und 'No Control' oder 'Suffer' aus den Regalen holen, dann öffnet ihnen das ein Blick in eine andere Welt.'