Die 4 Weisen aus dem Sorgenland
Die Punker von Bad Religion sind in die Jahre gekommen. Und machen sich so ihre Gedanken über Gott und die Welt.
Nachdem bei den einen, den Sex Pistols, der Lauf mehr als ein Jahrzehnt lang verstopft war und sie sich erst kürzlich dazu entschlossen hatten, neu nachzuladen, und die anderen, die Ramones, mit einem „Buenos Dias, Argentinia“ in die Frührente abdampften, bleiben noch die Vier von Bad Religion. Zwar keine Ur-Punk-Band wie The Clash oder die Dead Kennedy’s [sic], aber immerhin mit 14 gemeinsamen Jahren auf dem Buckel weise ältere Herren im Vergleich mit Punk-Fuzzis wie Green Day oder Offspring.
Und so stehen sie heute auch eher für eine intellektuelle Auseinandersetzung mit den sozialen Gegebenheiten ihrer Umwelt als für Rumms & Krach. Ist es Resignation, wenn Greg Graffin heute über sein Sorgenland philosophiert: „Mittlerweile haben wir gelernt, dass die Probleme sich nicht einfach durch Einführung einer Anarchie lösen lassen. Die Anarchie ist genauso eine Utopie, wie alle anderen Staatsphilosophien, die die totale Gleichheit der Menschen verlangen.“
Erraten, Bad Religion haben eine neue Scheibe auf den Markt gehievt – „The Gray Race“ – und ihre Marken gesetzt. Produziert hat diesmal Rick [sic] Ocasek Ex-The Cars-Mann. Mit seiner Hilfe, ist Greg Graffin überzeugt, „haben wir es jetzt geschafft, ein Gleichgewicht zwischen allen Instrumenten zu finden, ohne dass der Gesang zu sehr nach vorne oder hinten abgemischt ist, oder der Sound im allgemeinen seine Kraft und Schnelligkeit verliert“.
Es ist noch gar nicht solange her, dass Greg&Co. die Absicht verlauten ließen, von einem Indie-Label zu einer Major-Company wechseln zu wollen. Am anderen Tag machten sich weltweit alerte Manager auf den Weg nach Kalifornien, um sich von Bad Religion Tinte aufs Papier des hauseigenen Vertrags setzen zu lassen. Viele fürchteten daraufhin um die ungetrübte Spielfreude der Kalifornier. Doch siehe da, auch unter dem Major-Schirm blieben sie wild und frei und ungezwungen. Zwar ging Brett Gurewitz, Gründungsmitglied des Quartetts ab, doch Greg Graffin hat weiterhin die Rolle des Oberweisen des Punk inne.
Was ist Punk? Greg: „Punk ist schon immer der musikalische Ausdruck einer sozial benachteiligten Gesellschaftsschicht gewesen. Im Punk der 70er und 80er Jahre findet man all die kleinen Repressalien wieder, mit der eine marktwirtschaftlich organisierte Gesellschaft einen anderen Teil der Bevölkerung unter Druck setzt. Punk ist eine Gegenbewegung zu dem nach Gleichheit sich orientierenden Staat.“
Die Kohle, die Greg verdient, spart er fürs Schulgeld der Kids. Bildung hat er sich selbst beigebracht, als Autodidakt Geschichte und Sozial-Psychologie studiert. Greg: „Das ist eine Sache, die letztendlich jeder machen kann. Wir haben unsere Augen schließlich nicht nur dafür, um Werbung zu schauen, oder die Entwicklungen irgendeiner blöden Soap Opera zu verfolgen. Immerhin sind wir die einzige Spezies auf der Welt, die lesen kann. Wenn sich das mal mehr Menschen vor Augen führen würden, würde vielleicht auch mehr passieren."