D@ily Grind meet Jay (Bad Religion)
Durch unheimliches Glück und der Hilfe der Heimwerker Enterprises (fettes "Dankeschön!" in diese Richtung) hatten wir (Olli, Tom & ich) die Ehre im Ramen ihrer Club-Tour ein Interview mit Bad Religion zu führen. Obwohl wir alle nicht fanatische Bad Religion Anhänger sind, war es doch ein Glanzpunkt des bisherigen Lebens, denn coole Songs machen die Jungs allemal (...auch wenn sie alle sehr ähnlich klingen) und wann hat man schon einmal die Chance ein paar der ältesten noch aktiven Punk-Heroen (..nich' so Weichbirnen, die nach 10 Jahren noch 'ne Revivaltour abzocken !!) zu interviewen ? Also machten wir uns denn auf, um unsere zuvor im Cafe Karin ausgeklügelten Fragen an den Punk zu bringen.
Das ganze sollte im Marriot Hotel stattfinden, tat es dann auch. Keiner von uns war schon mal im Marriot gewesen, also noch eine Premiere. Abgesehen davon, daß wir nicht so ganz rafften, daß das Interview in der Lounge stattfinden sollte, und wir deshalb ins Hotelzimmer der Promoterin platzten, lief alles ganz locker. Jay (bas) und Brian (der neue Gitarrist, griff später ins Gespräch ein), die bei uns Opferlamm spielten, erwiesen sich als sympatische Plaudertaschen, und so war es kein Problem, ein einigermaßen gutes Interview aus unseren miserablen Fragen zu machen.
DG... : Der Titel eures neuen Albums "Gray Race", graue Rasse, was bedeutet er ?
Jay.. : Greg hatte diese Idee für eine Analogie, Menschen als eine Rasse von Tieren zu sehen, was wir ja auch sind. Was uns von den anderen Tieren unterscheidet, ist die Fähigkeit, Dinge in Grauschattierungen wahrzunehmen, nicht nur visuell. Ein Löwe zum Beispiel, betrachtet Sachen unter den Aspekten "töten" "essen" "ficken", das ist sehr grundsätzlich. Wird hingegen betrachten die Sachen als "vielleicht sollte ich nicht töten, weil sie ein Baby dabei hat" oder "vielleicht sollte ich keinen Sex haben, denn ich will kein Kind", wir können diese Unterscheidungen machen. Wir besitzen die Fähigkeit blindes Vertrauen zu zeigen, sei es Beziehung oder Religion oder Regierung. Mit diesen Dingen fühlen wird uns verbunden, obwohl für manche gar nicht bewiesen ist, daß sie existieren, und eben dies macht es nicht Schwarz oder Weiß, sondern Grau. Diese graue Rasse, "The Gray Race", sind wir, und das macht uns so qualvoll einzigartig.
DG... : Also ist der Albumtitel eher positiv oder negativ zu sehen ?
Jay.. : Das kommt ganz darauf an wie man's nimmt. Wenn du Teil der grauen Rasse bist kannst du nicht Morgens aufstehen und denken "essen", "töten"... was auch immer.....du mußt den ganzen Tag Entscheidungen treffen, und manchmal rächt sich so eine Entscheidung dann im Nachhinein, aber du mußt einfach damit leben. Du sagst dir "Hätte ich mich doch anders entschieden...". Es ist großartig wenn man Entscheidungen treffen kann, aber es ist auch das Kreuz mit uns Menschen.
DG... : Die Leute erwarten dauernd Entscheidungen von dir, und Moral....
Jay.. : Richtig.
DG... : Diese Botschaft, daß wir diese graue Rasse sind, mit allen Vor- und Nachteilen, ist das der Schwerpunkt dieses Albums ?
Jay.. : Nun, sie findet sich im ganzen Album wieder. Es ist ein Konzeptalbum...
DG... : Bitte...?!!?!?!
Jay.. : Nein, natürlich nicht. Es ist uns eigentlich erst am Schluß aufgefallen, das es da einen Faden gibt, der sich durch jedes Lied zieht.
DG... : Also war es keine Absicht.
Jay.. : Nein. Jedes Bad Religion Album ist eine Zeitabschnitt im Leben jedes Mitglieds von Bad Religion. Wenn Greg jetzt also einen Text schreibt, so ist dies eine Stück von Gregs Leben. Im Moment sagt er sich "Mit diesen Dingen beschäftige ich mich. Das bin ich, mich beschäftigen diese emotionalen Sachen. Vielleicht bin ich nicht der, der ich dachte zu sein. Vielleicht habe ich die Dinge nicht in Grauschattierungen gesehen, sondern in Schwarz und Weiß. I habe immer nur "Ja" oder "Nein" gesagt". Mit solchen Sachen beschäftigt er sich. Also kamen alle diese Sachen mit in Spiel, als er die Lieder schrieb.
DG... : Er hatte also ein Konzept in seinem Kopf, aber er hat bis zum Schluß nicht bemerkt, daß die Lieder einen gemeinsamen Nenner haben.
Jay.. : Ich glaube noch nicht mal, daß er es gesehen hat, denn erst als Brian und ich darüber geredet haben, meinte Greg, daß er sehen würde, was wir meinen. Aber es ist ja auch nicht so, als ob er sich hinsetzen würde, und ein Album schreibt. Sowas braucht viel Zeit.
DG... : War der Titel von Anfang an klar, oder habt ihr ihn euch erst ausgedacht, als ihr schon mit dem ganzen Album fertig wart ?
Jay.. : Nun, wenn man so im Studio sitzt, und Ideen diskutiert und einem auffällt, daß da ein durchgehende Faden ist, dann wird das der Titel des Albums. Man sagt sich einfach "Das ist die Essenz des Albums..."
DG... : Die Botschaft ist also...
Jay.. : Die Botschaft ist.... "Das ist unser Dilemma" ! Ich meine, es ist ja nicht so als ob wir uns hingesetzt haben und das Album zusammengesetzt hätten.
DG... : Es ist ja kein Prog-Rock Album... ;-)
Jay.. : Genau. Jedes Lied steht für sich selbst, hat seine eigenen Ideen.
DG... : Ok, Themenwechsel. Was ist mit eurem neuen Gitarristen ?
Jay.. : Nun...er ist nicht wirklich neu, wir spielen seit 18 Monate mit ihm. Er kam gleich nach "Stranger than Fiction", noch bevor wir auf Tour gingen. Auf dem Album ist er zwar nicht zu hören, aber dafür hat er die ganze Tour mitgespielt, was großartig war, denn so hatten er 18 Monate um mit der Band zu spielen, um das Gefühl für uns zu bekommen..... das war aber sofort da. Nach 5 Minuten sagten wir uns "Das ist großartig", und wenn man dann auf Tour ist und den Stil der Leute besser kennenlernt, dann ist es auch kein Problem das dann nachher im Studio zu berücksichtigen. Wenn jemand so gut ist wie Brian sagen wir einfach "Leg' los !".
DG... : Inwiefern hat Brian die Musik von Bad Religion beeinflußt ?
Jay.. : Greg schreibt das eigentliche Lied, und das ist dann die Saat, aus der dann der fertige Song wächst indem man zum Beispiel zu Brian sagt "Das ist die grundsätzliche Idee..." und er meint "Ach, du meinst das..." und spielt etwas, was einfach alles zusammenfügt. Das ist die Idee, den Song wachsen zu lassen, während man ihn spielt. Also bringt Brian als Gitarrist eine für uns vollkommen neue Vielfalt, da wir nie einen Gitarrist wie Brian hatten. Er kennt sein Instrument in und auswendig.
DG... : Ist das neue Album dadurch komplexer geworden ?
Jay.. : Schon, aber es ist eine der grundlegenden Ideen, die Sachen so einfach zu halten, daß man sich immer noch mit einer Akustikgitarre hinsetzen kann, und sie spielen kann. Man will eigentlich keine Lieder schreiben, die nicht von jedem irgendwie gespielt und geteilt werden können. Es ist nicht so als wären die Lieder die kompliziert, aber trotzdem kann ich nicht die Leads spielen, das basiert auf das Können des Gitarristen, der sie eingespielt hat, und das ist Brian. Es ist halt nicht Primus... ;-)
DG... : Eines der Dinge, die uns beim neuen Album überrascht haben, war der "Punk Rock Song" in Deutsch. Wie seid ihr auf die Idee dazu gekommen ?
Jay.. : Es haben uns immer wieder Leute gefragt "Warum singt ihr nicht mal in Deutsch ?", ich glaube aber was sie wirklich meinten war, warum wir die Texte nicht übersetzen. Das geht nicht so einfach. Eine Menge an Doppeldeutigkeiten und Sarkasmus geht in der Übersetzung einfach verloren. Deshalb haben wir uns die ganze Zeit nicht 'rangetraut, und jetzt fanden wir, daß "Punk Rock Song" sich am ehesten dafür eignen würde und daß der Sarkasmus erhalten bleibt.
DG... : Die ganze Sache mit der Club Tour, was ist die Idee dahinter ? Es ist ja wohl klar, daß ihr in doppelt so großen Hallen spielen könntet.
Brian : In den Staaten wird dieses Club Tour Ding als "....oh Gott, ist das cool !" aufgefasst. Hier begreifen es die meisten Leute, aber trotzdem müssen wir uns manchmal Sachen anhören wie "Hey, meine Freunde haben keine Karten mehr gekriegt....warum macht ihr das ?". Darauf können wir nur antworten, daß wir in ein paar Monaten sowieso wieder kommen und größere Hallen spielen. Das hier soll etwas besonders sein, aber es kommt etwas merkwürdig rüber.
DG... : Ich hatte so das Gefühl, daß die ganze Sache mehr so eine Promo-Sache von SONY war...
Jay.. : Natürlich ist es eine Promo-Sachen, jeder Tour ist das, aber es war unsere Idee. Es erinnert uns daran, daß wir nicht immer vor 80.000 Leuten spielen, wie mit Pearl Jam, das sind nicht wir ! Es macht Spaß. aber irgendwann denkt man sich "Moment....das ist nicht Bad Religion !"
Brian : Da ist noch ein Faktor...Ich weiß nicht ob das für die ganze Band gilt, aber definitiv für Jay und mich. Es ist einfach spaßiger, die kleinen Clubs zu spielen, denn der Kontakt mit dem Publikum ist da. Man bekommt Reaktionen, man hat Augenkontakt, man ist nicht dieses Tier, daß da etwas auf dieser großen Bühne vorführt.
Jay.. : Es hat einfach nur Vorteile. Wir können viel neues Zeug spielen, fast die Hälfte unseres Sets besteht aus neuem Material. Wenn du sowas vor 4.000 Leuten abziehst schreien die "Spielt "Stranger than Fiction" oder verpisst euch !". Das hier ist relaxter, es macht Spaß, und sobald es anfängt keinen Spaß mehr zu machen, bin ich weg !
Brian : Da gibt es noch eine Sache... sollte man wahrscheinlich nicht sagen.... keine Ahnung. Es ist so, daß ich persönlich große Konzerte hasse ! Nicht nur wenn ich sie spiele, ich meine wenn ich sie mir ansehe. Es ist einfach so, daß es schrecklich ist, etwa für dich wichtiges mit 10.000 anderen Leuten zu teilen. Ich würde mir Bad Religion liebend gern im Luxor, wo wir gestern gespielt haben, anschauen. Also warum sollten wir da nicht spielen, denn ich denke es gibt mehr Leute, die so denken.
Jay.. : Es gibt allerdings eine Obergrenze. Wenn eine Band wächst, spielt sie größere Hallen, damit alle 'reinpassen. Das ist Ursache und Wirkung. Einige Leute sagen allerdings, daß sie uns besser fanden, als wir noch die kleinen Clubs gespielt haben., worauf ich sie nur fragen kann, wie sie sich fühlen würden, wenn sie deshalb draußen bleiben müßten. Dann würden sie mich nämlich anschreien. Deshalb spielen wir größere Hallen, aber es gibt eine Obergrenze.
DG... : Ihr würdet also lieber zweimal eine kleinere Halle spielen, als einmal eine große ?
Jay.. : Nicht so klein wir hier, 600 Leute, oder so. Dann müßten wir hier 10 Shows spielen,. und unsere Tour würde 5 Jahre dauern.... ;-)
DG... : Was ist die Obergrenze für Bad Religion ?
Jay.. : Ich würde sagen, so 5 bis 6.000 Leute. Ich glaube nicht, daß wir irgendwann mal Arenen spielen, außer bei Festivals oder als Support. Wir haben nur für Pearl Jam als Support gespielt, und das war's. Es gibt einfach keine Band für die wir das machen würden. Vielleicht Green Day, aber ich glaube nicht, daß die uns fragen.... unser Verhältnis zu Green Day ist merkwürdig. Die sagen "Wir haben die ganze Zeit bei euch Vorgruppe gespielt, jetzt können wir euch doch nicht fragen, bei uns Vorgruppe zu spielen, da würden wir uns dumm vorkommen !" Ich sehe' das zwar nicht so, aber wenn die das so sehen ist das cool !
DG... : Wie sieht's mit eurem Support für diese Tour aus ?
Jay.. : Es sind immer lokale Acts. Heute ist es "Gagu", die Band vom Sänger der Rubbermaids, morgen spielen wir in München, also wird es eine Münchner Band sein.
DG... : Wenn eine Band wie Bad Religion zu einem Mayor Label wechselt schreit der Underground meist "Verrat !!". Hattet ihr irgendwelche schlechten Reaktionen?
Jay.. : Nicht wirklich. Ich glaube, die meisten Leute haben begriffen, was wir da machen. Wir haben wirklich hart auf der Business Seite der Musik gearbeitet, auf der Scheißseite. Es ist schmierig und schleimig, aber du mußt dich damit 'rumschlagen, sonst wirst du nur ausgenommen. Als wir dann zu Sony gewechselt sind, haben wir es offensichtlich gemacht, daß wir sie anstellen, nicht andersherum .... es ist ja nicht so, als hätten die uns entdeckt ! Ich meine, wie sehr kann man noch Underground sein, wenn man 300.000 Platten weltweit verkauft ?? All' die Bands, die auf einem Indie Label sind tun immer so, als wäre es so cool. Aber wir waren die Besitzer des Labels bei dem wir waren, wenn wir auf Tour waren, lief bei Epitaph nichts. Deshalb haben wir uns gesagt, warum nehmen wir nicht den nächsten Schritt, und stellen jemand an, der das für uns macht. Es war nicht so, daß Sony bei uns anklopfte und sagte "Jungs, wir signen euch !" es war mehr so, daß wir bei Sony 'reinschauten und sagten "Hier ist der Vertrag, wenn er euch nicht gefällt, fickt euch !".
DG... : Die Popkiller Frage : Wie war der Gig in Hamburg ?
Jay.. : Der in der Fabrik ? Wie in alten Zeiten...
DG... : Wir haben uns über die Hallengrößen unterhalten. Würde es dir genügen, wenn du immer kleiner Hallen spielen würdest ?
Jay.. : Natürlich ! Es ist schwerer vor 25 Leuten zu spielen als vor 2.500. Es ist nicht so, daß wir unsere Instrumente nahmen und uns sagten "Wir werden die nächsten Beatles !". Unser erstes Ziel war, erstmal ein Demo aufzunehmen, und es entwickelte sich von da an weiter. Solang du 100 Leute bei einer Show ziehst, und die Unkosten reinspielst, ist es cool. Sobald man allerdings vor 25 Leuten spielt und nichts bezahlen kann, hängt man fest. Und da waren wir schon !
Um den Tag noch perfekter zu machen, wurden Olli & ich dann noch auf die Gästeliste gesetzt, und durften und das Konzert der Jungs in der Kapp anschauen und sogar Photos machen. Obwohl das mit dem Einlaß nicht so glatt lief, wie wir uns das dachte, kamen wir dann doch noch rein. Die Vorband "Gagu" (...oder Gagou ??) war ein Knaller. Solltet ihr 'mal die Möglichkeit haben, die zu sehen und wenn ihr auf guten & schnellen Deutschpunk steht, dann fahrt sie euch mal 'rein.
Bad Religion gingen danach ab wie ein Zäpfchen (?!) und waren allein mit 700 Fans in der Kapp ! Wenn die Jungs genauso motiviert im Sommer spielen, überlege ich mir schwer, ob ich mir nicht eine Karte an Land ziehe !
~jesus