Bad Religion
Es ist mittlerweile zur schönen Regelmäßigkeit geworden. Jedes Jahr kommt eine neue Bad Religion-LP, die immer sehr ähnlich ist zur Vorgänger-Platte. Überraschendes hat es in der 13jährigen Geschichte wenig gegeben, außer jene 83er LP "Into the Unknown", die so schlecht lief, daß die Bands seit der Wiedergründung sechs Jahre später nichts anderes mehr machen wollte. Bad Religion ist dennoch eine interessante Band: Nicht nur, daß die Platten durchweg sehr gut hörbar sind, die Punk-Band gehört auch zu einer der wenigen Gruppen, die wirklich etwas zu sagen hat. Und daher traf ich mich mit Bassist Jay Bentley und Gitarrist Greg Hetson in einem Kölner Hotel.
Was ich an der Band besonders mag, ist ihr Umgang mit dem Business. Im Gegensatz zu all diesen "Alternativ"-Bands (die letztendlich genauso sind wie andere Bands auch und sich mit ihrem Gang zu Major-Labels häufig genug selbst entlarven) sind Bad Religion immer ihren eigenen Weg gegangen. Die erste EP, damals vor 13 Jahren, hat de Gruppe für wenig Geld selbst verkauft, und die sieben LPs, die über die Jahre hinweg erschienen sind, kamen bei Epitaph heraus, dem Label des Gitarristen Mr. Brett. Trotzdem, ganz ohne Unterstützung der Promotion-Abteilung einer großen Firma, ist die Gruppe so weit gekommen: "Generator", die 92er LP, war die am besten verkaufte Import-LP in Deutschland seit irgendeiner Elvis-Scheibe. Und das heißt schon was.
"Ich möchte im Moment auch nicht, daß unsere Platten bei irgendeinem anderen Label als Epitaph erscheint. Der Vertrieb ist gut und wir bekommen einen guten Anteil an den Verkäufen", meint Jay und der Greg ergänzt, daß Bad Religion eine Band mit hoher Priorität bei dem Label sei. "Jede Band ist das bei Epitaph", betont Jay. Angebote, die Band zu übernehmen, den Back-Katalog wiederzuveröffentlichen oder gar das ganze Label zu kaufen, seien daher ohne Umschweife abgelehnt worden.
Dennoch stand die Gruppe häufig genug im Kreuzfeuer der Kritik in amerikanischen Fanzines - obwohl sie eigentlich der beste Beweis ist, daß der "Do it yourself"-Ethos zum Erfolg führen kann. "Die sind nur eifersüchtig, weil wir so erfolgreich sind", kommentiert Jay das. Ausschlaggebend für die Kritik war die England-Tour vor zwei Jahren, bei der Bad Religion Probleme hatte mit einer Konzert-Veranstalterin. "Alles, was wir wollten, war Wasser und Handtücher. Es waren 50 Grad Celsius in diesem Club, mein Bass war total naß, ich konnte nicht darauf spielen. Wir hatten nur nach Wasser gefragt, nicht mal nach einer bestimmten Marke. Und wir bekamen irgend so eine braune Brühe", erinnert sich Jay. "1000 Leute waren in dem Club, und diese Frau hat 3000 Dollar verdient - für's Rumsitzen", ist der Bassist sauer - besonders, da sich die Tour-Veranstalterin anschließend beschwert hatte, die Gruppe habe Starallüren.
In Deutschland jedenfalls kümmert sich die Gruppe selbst darum, damit Probleme in den verschiedenen Läden nicht wieder auftauchen. In München im letzten Jahr beispielsweise waren die Ordner richtige Schlägertypen, die nicht wieder engagiert werden sollen. Und in der Kölner Halle, die sich im letzten Jahr unrühmlich wegen ihres Verhaltens bei einer Ministry-Show hervorgetan haben (Konzertbeginn 90 Minuten früher als angekündigt, der Eintrittspreis wurde Zuschauern noch fünf Minuten vor Konzertende abgeknöpft), wollen sie dafür sorgen, daß bei ihnen alles klappt. Sonic Youth hätten, bestätigen sie meine Erfahrung, nach 40 Minuten die Bühne verlassen müssen, damit pünktlich um 22 Uhr die Disco losgehen konnte. "Zur Not fangen wir eben um 17 Uhr an - aber angekündigt", meint Jay.
Dennoch erwarte ich, daß Bad Religion in diesem Jahr noch ein wenig größer werden wird - immerhin hat die Band Videos zu drei Songs abgedreht, die mit Sicherheit auf MTV laufen werden. Die Gruppe meint zwar, daß dies in Amerika nicht passieren werde, im europäischen "Headbanger's Ball" läuft ein Clip aber auf jeden Fall. Greg und Jay betonten, daß sie die Videos nicht deswegen gedreht hätten. Sie hätten einfach ein Angebot gehabt, die drei Videos für 8000 Dollar zu drehen. Da hätten sie halt nicht ablehnen können.
Ein vermehrtes Interesse an dem Album könnte auch dadurch entstehen, daß Pearl Jam's Eddie Vedder mitgesungen hat. Und Pearl Jam haben ja nun mittlerweile nicht gerade wenig Platten verkauft. "Wir weisen nicht mit einem Sticker darauf hin", betont Jay. Eddie habe halt schon immer Interesse gehabt, und bei der Produktion zu "Recipe for Hate" sei er halt ins Studio gekommen. Eddie habe in "Watch It Die" sogar die Lead-Vocals in einer Strophe übernommen, überraschen die beiden mich (man hört es wirklich nicht). "Wir meinten nicht zu ihm, daß er doch ein bißchen wie in 'Jeremy' singen solle; er sagte gleich zu uns, er wolle unsere Fans nicht von der Band entfremden", erzählt Jay.
Was mich direkt zu der Frage führt, ob die Band das nicht mal selber wolle, ob die Band nicht mal anders klingen wolle. "Wir haben das versucht, wir haben 1983 eine LP namens 'Into the Unknown' gemacht. Davon haben wir 10.000 verschickt und 9500 kamen zurück. Die Platte war eine kompletter Mißerfolg, und die Band brach deshalb auseinander." Damals war die Gruppe aber nur eine kleine Punkband aus L.A., heute ist sie viel größer, entgegne ich, bekomme darauf aber keine befriedigende Antwort außer, daß die Gruppe sich ja entwickelt hätte von der 1989er "Suffer". Als ich meine, daß sich die Songs anhören würden wie verschiedene Variationen eines Themas meint Jay, "dieses Thema ist auch das, was wir am besten können." Jay und Greg betonen, daß sie ein paar andere Sachen gemacht hätten, die Slide-Guitar in "Man with a Mission" beispielsweise oder "All Good Soldiers". "Wir sind nicht David Bowie, wir wollen nicht immer etwas anderes machen. Wir machen, woran wir Spaß haben", meint Greg. Auch die Texte sind im Kern immer ähnlich. Alle Bad Religion-Songs sind gesellschaftskritisch, offensichtlich aber ändern die Liedern nichts, die Gesellschaft wird mit den Jahren immer schlimmer, aber sicher nicht besser. Wird man dann nicht zynisch? "Ja, du hast deine Frage schon beantwortet", meinen beide. Warum schreiben sie dann diese Lieder? "Ich verliere nicht das Interesse daran, wenn Greg Graffin (der Sänger) und Brett (der Gitarrist) über solche Themen schreiben. Diese ganzen Rap-Songs handeln davon, Frauen zu vergewaltigen oder Drogen zu nehmen. Sowas möchte ich nicht hören.", meint Jay. Ob die Band, statt noch einen Protest-Song zu singen, nicht mal ein Liebeslied machen wollen? "Vielleicht, laß uns darüber reden, wenn wir nächstes Jahr eine neue Platte rausgebracht haben", meint Jay. "Im Moment möchte ich das nicht." Beide hätten, betonen Greg Hetson und Jay, immer noch überraschende Themen.
Lösungen, oder Illusionen, etwas ändern zu können, hat die Band nicht mehr. Greg, der als Wissenschaftler arbeitet, ist zum Beispiel der Überzeugung, daß die Menschheit aussterben werde. (das nenne ich zynisch). Brett dagegen suche schon noch Kraft im Spirituellen. Ansonsten rieten meine Interview-Partner zum Versuch, die eigene Umwelt verändern zu wollen. Das ist schließlich auch schon was.
Dietmar Stork