US-Punk mit Country-Tick
Als Gitarrist der Amerikanischen Punk-Legende Bad Religion geht Brian Baker richtig zur Sache. Wie anpassungsfähig er in Sachen Sound ist, verriet er uns im Interview -- und dass er privat nur noch Country-Music hört.
SOUNDCHECK: Für euer aktuelles Album "The New America" habt ihr den legendären Produzenten Todd Rundgren verpflichtet. Wie sieht Recordirg-Philosophie aus?
BRIAN BAKER: Das hängt bei ihm ganz von der Band ab. Bei Bad Religion macht allerdings ein Produzent nicht das, was man normalerweise von ihm erwartet: Er muss keine Songs schreiben und auch nichts an den Arrangements ändern, da wir mit fertigem Material ins Studio gehen. Todd Rundgrens Aufgabe bestand also darin, uns zu Höchstleistungen anzuspornen und vielleicht in puncto Tempo der Songs Vorschläge zu macher. Ein anderer wichtiger Beitrag war, für gute Stimmung zu sorgen. Was nicht besonders schwierig für ihn war, schließlich lebt er auf Hawaii. lch hatte mein Surfbrett dabei, konnte jeden Tag Fisch essen, lag viel am Strand in der Sonne ... fest steht: Wenn man sich gut fühlt, spielt man auch besser.
SC: Wie arbeitet Rundgren im Studio?
BB: Es ist nicht einmal ein richtiges Studio. So habe ich bei den Sessions auch keinen Amp benutzt, sondern bin mit der Gitarre direkt in seinen Mac-G-4-Computer. Auf der ganzen Platte ist deshalb keir einziger Gitarrerton, der mit einem Mikro aufgenommen worden wäre.
SC: Warst du da nicht anfangs skeptisch?
BB: Doch, aber Todd ist ein Meister seines Fachs, und er besitzt die allerneueste Pro-Tools-Version. Ich glaube, kein Mensch hört, dass keine echten Amps eingesetzt wurden.
SC: Hast du zuhause ein Home-Studio?
BB: Ja, aber nur ein sehr kleines. lch lebe in einem Appartement in Washington D.C., in dem es zu eng für großes Equipment ist. Also arbeite ich mit einem Roland BS-80 EX, einem kleinen Harddisc-Recorder urd einem Line-6-Amp. Todd hat mir erklärt, dass die Parameter vom Line 6 von Pro Tools stammen. Wenn man also beide Geräte kombiniert, bekommt man einen unglaublich guten Sound.
SC: Welche Gitarren hast du bei den Aufnahmen verwendet?
BB: Eine Fender-Strat, eine 66er Telecaster mit einem Hals aus Rosenholz und einige Les Pauls. Bei anderen Alben habe ich meist mehr Gitarren benützt. Als ich aber kapiert habe, dass ich die Gitarren an einen Computer anschliesse, der nur mit Nullen und Einsen arbeitet, war mir klar, dass selbst die Tonalität der Gitarre unwichtig ist. Man kann den Sound ja verändem, wie man will.
SC: Live sieht es anders aus. Welche Gitarren spielst du auf Tour?
BB: Eigentlich nur Les Pauls. Denn so wie wir spielen, brauche ich eine Gitarre, die solide ist und sich nicht dauernd verstimmt. Und ich glaube nicht, dass es eine solidere Gitarre als eine Les Paul gibt. Sie ist zwar sehr schwer und mir tut oft meine Schulter weh - andererseits kannst du sie auch durch's Zimmer werfen - und sie wäre immer noch nicht verstimmt. Mittlerweile spiele ich seit 25 Jahren Les Pauls. Dieser Tradition bleibe ich treu.
SC: Dann hast du sicher auch einen Endorser-Vertrag mit Gibson?
BB: Du wirst lachen - nein! Wenn ich eine Gibson verwende, überklebe ich den Namen, weil uns Gibson einfach keinen Endorser-Vertrag geben möchte. Es ist schon erstaunlich: Da bekommen Gitarristen einen Deal, deren Namen ich nichtmal kenne. Und wenn wir anrufen, gehen die in Nashville nichtmal an's Telefon. Wir sind ja schließlich nur irgendeine Punk-Band - allerdings mit über zehn Millionen verkaufter Platten. Es ist wirklich schade, dass wir so eine schlechte Beziehung zu Gibson haben, denn sie stellen die besten Gitarren der Welt her. lch wäre wirklich stolz, bei dieser Firma einen Endorser-Vertrag zu haben.
SC: Du hast aber bestimmt andere Endorsements.
BB: Ja, ich habe einen Deal mit Dean-Markley-Saiten und mit Mesa Boogie.
SC: Welche Amps benützt du live?
BB: lch benütze ein Mesa-Boogie-Dual-Rectifier-Head mit einem 4 x 12-Boogie-Standard-Cabinet. Ausserdem verwende ich ein Marshall- l959-SLP-Top, original aus den 60ern, ebenfalls zusammen mit einem 41 2-Big-Box-Cabinet. lch vermische beide Sounds, drehe allerdings den Marshall etwas lauter auf, um dem mittenlastigen-Boogie-Ton mehr Biss zu geben.
SC: Auf dem neuen Album spielst dü einige starke Solos. Welche Solisten haben deinen Stil besonders geprägt?
BB: Da gibt es einige: Angus Young, Billy Gibbons, Vivian Campbell, Scotty Moore und wer auch immer bei D:A:D gespielt hat, ist unglaublich gut. Auch der Gitarrist von No FX, einer Punk-Band, ist klasse.
SC: Welche Musik hörst du privat?
BB: Du wirst dich wundern: Ausschließlich alte amerikanische Country- und Folkmusik - darauf stehe ich total. lch höre Hank Williams und George Jones, BlueEass-Musiker wie die Carter-Family, Bill Monroe, Bob Mills, Hank Snow, Lefty Frizzell oder die Texas Playboys. lch weiss auch nicht was passiert ist, aber vor ungefähr einem Jahr fing ich urplötzlich an, diese Musik zu mögen. Alle anderen CDs habe ich entsorgt.
SC: Gibt es eine Gemeinsamkeit von Country und Punk?
BB: Ja, es gibt viele Parallelen: Man muss für beide Musikrichtungen nicht unbedingt ein grossartiger Musiker sein, beide Genres singen über persönliche, menschliche Themen und beide Musikrichtungen hatten ihren Ursprung in der lndependent-Szene. Country war früher eine Do-It-Yourself-Musik. Man setzte sich ins Auto und fuhr nach Texas, spielte einen Gig beim Barn-Dance und fuhr wieder nach Hause. Diese Energie erinnert mich stark an Punk.
SC: Andererseits ist Country sehr emotional. Brauchst du den Kontrast zu Bad Religion?
BB: Das kann gut sein. Wir arbeiten als Band so hart, dass ich abends in meinem Wohnzimmer keinen brauche, der über "Fucking The Government" herumgröhlt. lch mag dann meine Ruhe und angenehme Musik - "Buena Vista Social Club" höre ich übrigens auch sehr geme.
SC: Könntest du dir vorstellen, später in Nashville deine Brötchen zu verdienen?
BB: Sehr gut sogar. Wenn meine Punk-Rock-Zeit um ist, möchte ich ein Nashville-Session-Gitarrist werden und guten Country machen. Guten, wohlgemerkt, nicht diesen Mist den Garth Brooks, die Dixie Chicks oder die anderen der neuen Country-Bewegung machen. Die brauchen jemanden wie mich, um etwas Schärfe in diesen Spiesser-Sound zu bringen.
SC: lhr habt schon öfters mit Campino und den Toten Hosen zusammen gearbeitet. Gibt es zwischen beiden Bands so eine Art Seelenverwandtschaft?
BB: Jedenfalls gibt es zwischen beiden Bands einige Gemeinsamkeiten. Sie häben eine ähnlichen Background und haben sich von der Platten-lndustrie nicht klein kriegen lassen. Sie haben ihre eigene Welt erschaffen und ihr eigenes Label gegründet. Wer beide Bands zusammen auf einer Bühne gesehen hat, weiss, dass Bad Religion und die Toten Hosen ein starkes Team abgeben.
Text: Gunther Motejko