Kreuz, Durchgestrichen. Punkrock. Ein Testament
Nüchtern betrachtet sind BAD RELIGION ja bloß eine Punk-Band kalifornischer Prägung, wie es sie dort drüben, in den sonnigen Gebieten, pro Straße fünfmal gibt. Weshalb BAD RELIGION allerdings dennoch alle anderen Bands, die genau dieselbe unspektakuläre Tralala-Musik machen, an Erfolg um ein Zigfaches übertroffen haben, wird mir auf Ewig ein Rätsel bleiben. Der Band selber übrigens auch. Vielleicht liegt es an ihrer Hartnäckigkeit, dem Durchhaltevermögen, das nur noch die RAMONES zeitlich übertroffen haben, mit jeder neuen LP (und dies inzwischen in einem Jahres-Turnus, nach dem man die Uhr stellen kann ... wie wäre es, die neue BAD RELIGION immer pünktlich zur Umstellung auf Sommerzeit rauszubringen? Ich vergesse das nämlich jedes Jahr) die vorherige und also alles Bisherige zu wiederholen. BAD RELIGION sind der Inbegriff von Treue und wahrscheinlich eine unknackbare Aufgabe für "Wetten daß"- Anwärter, noch unterscheiden zu können, welcher Song von welcher Platte ist. Sie spielen, wie KONSALIK Bücher schreibt - durch den Austausch von Titeln. Und dafür werden sie geliebt. Die Menschen brauchen Verläßliches in dieser unsicheren Zeit.
Welcher Natur der typische BAD RELIGION-Fan ist, haben die Reaktionen auf Ihre 1983 veröffentlichte Platte "Into The Unknown" gezeigt, ein Versuch ganz am Anfang, sich nicht festlegen zu lassen, der generell abgelehnt wurde: Es hagelte Verrisse, gekauft wurde das Ding kaum, diese Keyboard-Folkrock-Spielerei hat ihnen von Seiten der Punk-Dudes so viel Haß eingebracht, daß sich die Band postwendend auflöste. Mag sein, daß "Into The Unknown" eine unbedeutende Platte ist, ein soziologisches Phänomen ist sie allemal - doch, das meine ich ernst -, denn die übertriebene Ablehnung, die diese Platte erfuhr, wirft ein sehr schwaches Bild auf die Kunden von PunkRock, deren musikalische Aufnahmefähigkeit allzu schnell strapaziert ist. BAD RELIGION bedienen seitdem eine Kundschaft, die immer dasselbe will, Melodie und Härte, und haben damit heute den Erfolg, den BLACK FLAG nie so richtig haben konnten, weil die sich wirklich ständig verändert haben, unberechenbar blieben und sich damit Gewohnheits-Kunden und Ideologie-Punks vergraulten.
Das Interview mit Jay Bentley, dem Baß-Zapfer, war dennoch mehr als überfällig - dennoch, das heißt: Obwohl BAD RELIGION nie zu den Favoriten bei der ZAP-Mannschaft zählten, sind sie ein ernstzunehmendes Phänomen, wert, einmal abgeklopft zu werden. Im Gegensatz zu den SEX PISTOLS, hinter denen das geschickte Management des Herrn McLarren stand, haben BAD RELIGION es nämlich in den Achtzigern ganz ohne große Eigeninitiative und ohne großen Werbeaufwand geschafft, "Punk für die Massen" zu werden. Warum, das erhellt dieses Interview: Eine Gruppe aus wohlerzogenen Vorstadtkids, deren soziales Umfeld man sich in etwa so vorstellen muß wie die Bungalows auf dem "Suffer"-Cover, entspricht ganz dem Leben des durchschnittlichen Jugendlichen und Musikkonsumenten, befriedigt dessen Bedürfnis nach abwaschbarem Schmutz, nach pflegeleichtem Punk mit SPD-Attitude.
Und doch: das ist keine Kritik an BAD RELIGION, denn ob man ihre Musik nun mag oder nicht, ist völlige Geschmacksache. Das Phänomen BAD RELIGION rückt lediglich die These, daß Punk automatisch subversiv sei, etwas zurecht, macht klar, daß "subversiv" heute längst eine Etikette ist. Es ist - und das allen leserbriefwütigen Menschen, die jetzt schon wieder den Kuli suchen, gleich reingedrückt - nicht die Schuld von BAD RELIGION. Man kann ihnen vorhalten, daß ihre Musik seicht ist und harmlos wie das Sandmännchen, aber man kann sie nicht für den Ausverkauf von Punk verantwortlich machen, genausowenig die RAMONES oder die TOTEN HOSEN, das muß ich endlich mal zurechtrücken, damit Emil nicht denkt, ich wäre so ein verbiesterter Knochen, der Musiker fallen läßt, wenn ihre Verkaufszahlen die vierte Null erreicht haben. Viel strapazierte Begriffe wie "subversiv" und "progressiv" lassen sich nicht an Verkaufszahlen messen, Menschen wie ZAPPA, MILES DAVIS, PRINCE und PUBLIC ENEMY sind Superstars und dennoch völlig extrem. Nee, was BAD RELIGION in den letzten Jahren erlebt haben, ist eher eine Sache, an der sich Soziologen die Zähne ausbeißen könnten. Es ist dieses verdammt ernstzuneh-mende, sehr deprimierende Auf-der-Stelle-Treten, das durch unsere Nischenkultur geschaffen wurde. Dem Punkrock geht es wie allen großen Subkulturen in diesem Jahrhundert, also dem Jazz, Psychedelic und Hip Hop, um nur die ganz Fetten zu nennen: Er ist zu einer Institution geworden, zu einem geregelten, akzeptierten und katalogisierten "Way of life". Wer kennt sie nicht, die Familien, in denen die Eltern Punkrock hören, während ihre Kinder GENESIS-CD's nach Hause bringen? Punkrock ist ein akzeptierter Teil unserer Gesellschaft geworden. Wohin wir blicken: In die Mode, in die Werbung, in Comics, in Fernsehserien und in Familienzeitschriften hat er Einzug erhalten. Mag sein, daß ihm noch der Hauch des Verrückten anhängt, aber als subversiv wird Punk längst nicht mehr eingestuft ... und verrückt, dafür gelten auch Karl Lagerfeld und Reinhold Messner. Was bedeutet das schon? - Punk als Nische, als Möglichkeit, Unzufriedenheit abzulassen (und allem voran natürlich auch für einige Leute eine Möglichkeit, Geld zu verdienen), ist dazu verdammt, nicht mehr als den Lausbub oder die freche Gör zu spielen. Wen wunderts, daß so viele Krachbands auf der Platte ihren "Parents" danken? Nicht mal mehr zum laschen Generationskonflikt reicht es noch. Es gibt zwar sicher keine durchtriebenen, durch und durch bösen Forscher mit wirren Haaren und dicken Brillengläsern, wie man sie von Kinderfilmen kennt, die in dunkeln Zimmern daran basteln, alle Energie letztendlich nur diesem Staat zukommen zu lassen, aber die Entwicklung, die Punk durchgemacht hat, entspricht ganz und gar dieser lausigen, altbekannten Geschichte, Widerspruch marktwirtschaftlich zu verwerten, bis er kein Widerspruch mehr ist. Indem die Subkulturen zu Nischen anerkannter Lebensform gemacht werden, kann sich deren Anhängerin darin austoben, ohne jemals wirklich "gefährlich" zu werden. Eine Band wie BAD RELIGION gibt daher nicht Energie zum Widerstand, sondern raubt Energie, leitet sie in einen Kanal ab, um es in der Fäkalsprache zu sagen.
Alles hier Geschriebene gilt natürlich nicht für ernsthafte Bemühungen, eine alternative Lebensform zu finden, es gilt nicht für all die Jungs und Mädels, die in unabhängigen Jugendzentren sich den Arsch aufreißen, Gegenwelten zur kontrollierten Gesellschaft anzubieten, sondern es gilt nur für die Musik. Die Musik ist es, durch die Punk zum Stil geworden ist. Insofern beantwortet dieser Artikel auch gleich den Leserbrief von einem TOYS MOVE-Mitarbeiter, der danach fragte, ob ich Musik nicht zu wichtig nehme: Bands wie BAD RELIGION zeigen, daß Musik verdammt wenig ist und daß es mehr geben muß. Daß sich ein gegen diese Gesellschaft gerichtetes Denken nicht auf kulturelle Äußerungen beschränken sollte, da diese immer die ersten sind, die sich vereinnahmen lassen und auch erfahrungsgemäß vereinnahmt werden. Die SEX PISTOLS sind längst integrierter Bestandteil unseres Vorabend-programms, an der Hafenstraße beißt sich dieses Land allerdings noch immer die Zähne aus. Andererseits ist Musik aber auch verdammt notwendig, weil ein Leben ohne Musik so grau wäre wie die S-Bahn-Station "Opelwerk" in Rüsselsheim. Insofern ist es mir völlig egal, wenn sich jemand heute noch immer an Bands wie BAD RELIGION, den RAMONES und den UK SUBS berauscht, meinetwegen auch NIRVANA, ist mir Wurst wie Käse, solange die Leute nicht glauben, dank diesem Geschmack, der eine rein ästhetische Sache ist und sonst nix, subversiv und extrem zu sein. Punk ist längst nicht mehr extrem. Und genau dies kriegen auch die naseweisen Personen zu hören, die mich ungläubig anstarren, wenn sie die biederste Platte bei mir zuhause finden, die ich besitze, nämlich so ein altes Ding von PETER GABRIEL: Meinste PETER GABRIEL, meinste NEUROSIS. Ein Song ist entweder gut oder schlecht. Und ich meine das wirklich so: Von Woche zu Woche erscheint mir die gesellschaftliche Relevanz, die Durchschlagkraft, die Musik haben kann, ärmlicher. Das soll nun nicht heißen, daß junge Bands heute wie BAD RELIGION, HÜSKER DÜ oder RAMONES klingen sollen, weil eh alles egal ist - nein, Ihr kriegt von mir trotzdem einen Verriß, garantiert -, aber es soll heißen, daß Musik und gesellschaftliche Realität zwei Paar Stiefel sind, die gottverdammt nicht zueinander passen wollen. Und kommt mir an dem Tag, an dem ich E.L.O. interviewe, weil ich sie witzig finde, ja nicht mit so Hämmern wie "Kulturindustrie": Das hat der gute Adorno (und mit ihm damals auch Vic Bondi) übersehen oder zumindest nicht wahrhaben wollen, daß nämlich längst alles, von der Radikalität eines JOHN CAGE, von dem Toben des Free-Jazz, vom Haß der AGNOSTIC FRONT bis zum "Kill The Poor" der DEAD KENNEDYS vereinnahmter Teil einer für alles offenen Gesellschaft ist, die hinter jedem neuen Ansatz sich verweigernder Avantgarde die Türe schließt und das Namensschild drauf klebt. Und obwohl alles so furchtbar egal ist, heißt das sicher noch lange nicht, daß man durchschnittliche Bands wie BAD RELIGION mit Genies wie CAPTAOIN BEEFHEART gleichsetzen sollte. Aber es beantwortet die Frage danach, ob Punkrock denn wirklich so hart, so anti und bewußtseinsbildend ist, ob als Gegenhaltung notwendig genug, um ihn.
ZAP: Konntet lhr Euren Erfolg beeinflussen oder bleibt er für Euch ein Rätsel?
Jay: "Ein Rätsel nicht, aber etwas Unerwartetes. Wir haben ja - mit Ausnahme von "Into the Unknown" - immer dasselbe gemacht, wir haben uns kein bißchen verändert, also, wir haben nicht gesagt: Laßt uns etwas anderes machen, damit wir erfolgreich werden. Sondern wir spielen noch heute die Musik, die wir Anfang der Achtziger spielten, als uns noch keiner kannte. Insofern muß sich eher in der Öffentlichkeit ohne unser Zutun etwas geändert haben. Anfangs war alles ein Spaß, heute ist es auch sehr viel harte Arbeit. Aber es ist gut so, wir fühlen uns darin wohl. Was ich damit sagen will: Wir haben uns nicht hingesetzt und gewartet, bis der Erfolg kam. Sondern er kam plötzlich und für uns unerwartet. Aber ich gebe darauf nichts - "Into The Unknown" hatte gezeigt, wie schnell man von heute auf morgen von den Leuten gehasst werden kann. Die Geschmäcker wechseln bei den Kids sehr schnell. Früher haben die Skater in ihren Vorstädten Punk und Hardcore gehört, heute hören sie Rap und Hip Hop. Das alles sind Moden. Wenn wir uns nach diesen Kids richten würden, wären wir ja bescheuert. Nein, wir machen einfach unser Ding - und das seit Jahren. Wir verlassen uns nicht auf Trends. Die wechseln zu schnell. Ich meine, in den letzten Jahren hat sich das mit unserem Erfolg auch eingependelt. Da kommen nicht mehr viel neue Hörer dazu. Wir spielen eigentlich immer vor der selben Anzahl an Publikum."
ZAP: Gerade unter Metal-Hörern seid lhr sehr beliebt. Leute mit SLAYER- und TESTAMENT-Stickern auf der Jacke tragen auch gerne mal Eure T-Shirts. Hast Du dafür eine Erklärung?
Jay: "Nein. AIso, das wundert mich echt. Ist mir noch nicht aufgefallen. Aber findest du das jetzt schlimm? Ich denke, es ist okay, denn wir wollen kein festes Publikum. BAD RELIGION ist kein geschlossener Zirkel. Wir sind für jeden offen. Ich meine, Metal ist absolut nicht unsere Sache. Wir mögen diese Musik eigentlich nicht, weil mit ihr so viele ekelhafte Sachen verbunden sind. Diese ganze Haltung, das Aussehen dieser Leute, ihre Vorstellung von Sex, das ist mir sehr fremd. Aber wenn Leute, die sich sonst nur solche Leder-Musik anhören, an BAD RELIGION Gefallen finden, ist das doch ein gutes Zeichen, oder?"
ZAP: Eure neue Platte heißt "Recipe For Hate'. Worauf spielen dieser Song und der Titel an? Sind die sonnigen, positiven BAD RELIGION nun eine Band, die uns zu hassen lehrt?
Jay: "Nein, ganz im Gegenteil. Dies ist Musik gegen Haß. Haß ist etwas Furchtbares, das Schlimmste, was man sich vorstellen kann ..."
ZAP: Also ein Plädoyer für Liebe.
Jay: "Oh nein, das auch nicht. Wir sind keine Hippies. Natürlich ist Liebe schöner als Haß, aber so etwas machen wir uns nicht zur Botschaft. BAD RELIGION ist ja gerade eine Band, die keine Botschaften unter die Leute bringt, sondern den Hörern alle Freiheiten läßt. Nur in dem einen Punkt sagen wir ganz klar nein: Wir predigen keinen Haß, wir lehnen alle Formen von Haß ab."
ZAP: Richtig, der gute alte Humanismus. Aber ich denke, das greift nicht immer. Haß kann auch eine Energie sein, die uns antreibt, etwas zu schaffen und zu verändern. Wie zum Beispiel reagierst Du auf die Nazis, die Flüchtlingsheime in Brand stecken? Muß man solche Menschen nicht hassen?
Jay: "Das ist schwierig. Das Problem ist, denke ich, daß diese Menschen hassen. Ihr ganzes Leben besteht aus Haß und es ist, denke ich, falsch, auf sie mit Haß zu reagieren, also genau die Art anzunehmen, die ihnen zueigen ist. Ich weiß nicht, was man gegen solche Menschen tun kann, ich weiß es wirklich nicht. Alles an ihnen ist falsch und schlecht. Ich denke, man muß sie vertreiben (aber wohin? d.V.) ... aber man sollte nicht den Fehler machen, auf Haß mit Haß zu reagieren."
ZAP: BAD RELIGION haben sich das durchgestrichene Kreuz auf den Banner geschrieben. lst es aber nicht so, daß viele, die Eure T-Shirts tragen, auch eine Religion haben, daß für sie Punkrock oder - je nach dem - Metal eine Religion ist und lhr die Götter?
Jay: "Natürlich. Und das ist schlimm. Es ist immer schlimm, wenn Menschen Dingen blind folgen. Das geht mit Bands so, mit Filmstars ... und ich denke, du kannst es als Musiker immer nur bis zu einem gewissen Grad verhindern, daß Menschen dir folgen. Wir verhindern es insofern, als daß wir keine Botschaften verbreiten, nichts propagieren. Wir spielen und haben unseren Spaß, wollen, daß auch die Hörer ihren Spaß haben. Wenn es eine Botschaft bei BAD RELIGION gibt, dann: Lebe dein eigenes Leben! Höre auf niemanden, auch auf uns nicht - höre nur auf dich selber. Das ist ja das Paradox an unserer Band: Indem wir den Leuten sagen, sie sollen niemandem hören, sagen wir ja auch automatisch, daß sie uns nicht hören sollen. Irgendwie komisch, nicht?"
ZAP: Und gerade an dem Punkt wird es gefährlich: Das "Be yourself" kann auch pervertiert werden. lch kann zum Beispiel nicht, um das leidliche Thema wieder aufzugreifen, einen Faschisten tolerieren nach dem Motto "Jedem das Seine". Dieser vom Punk propagierte lndividualismus hat seine Grenzen - "be yourself" funktioniert nur, wenn die Menschen auch menschlich denken und handeln.
Jay: "Das stimmt. Meine Theorie ist allerdings, daß ein Mensch, wenn er tut, was er will, wenn er nur auf die Stimme in sich selbst hört, menschlich bleibt. Er wird, wenn er die Möglichkeit hat, er selbst zu sein, gar nicht auf den Gedanken kommen, anderen Menschen weh zu tun. Ich denke, man muß die Menschen nur die Chance geben, sie selbst zu sein. In einem System wie dem amerikanischen, wo von der Erziehung und über die Schule so viel kaputt gemacht wird, wo den Menschen beigebracht wird, möglichst viel Nutzen aus allem zu schlagen, kann das nicht funktionieren. In Amerika sind die Menschen nicht selbstbestimmt, sie sind entwurzelt, unfrei. Daher all diese Kranken, die Psychopathen und Verbrecher. Opfer einer entfremdeten Gesellschaft. Gäbe es eine Gesellschaft, in der die Menschen nicht Herdentiere sind, ich versichere dir - sie wäre weniger gewalttätig."
ZAP: Vertrittst du also den alten Anarchie-Gedanken von CRASS?
Jay: "Nein. Anarchie ist, denke ich, eine sehr theoretische Sache. Auf dem Papier liest sich das sehr gut, aber es ist ein Gedankenspiel für Intellektuelle. Ich glaube nicht, daß es funktionieren würde. Für mich - und ich denke, das gilt für meine Generation, den Punkrock in Amerika - bedeutet Punk etwas anderes als es den Engländern bedeutete. Für mich ist Punk ein Aufruf zur Individualität. Es geht immer nur darum - und ich denke, darin würden mir die Leute meiner Generation zustimmen -, daß jemand okay ist. Daß er sich nicht unterdrücken läßt, daß er nicht so lebt, wie es ihm der Boss oder das Fernsehen vorschreibt, sondern daß er denkt und lebt, wie er es für richtig hält. Mir geht es dabei gar nicht so sehr um eine bestimmte Szene oder um eine autonome Gruppe. Ich habe Fußballspieler kennengelernt, Maschinenarbeiter und Autoschlosser, die okay waren, total nette Menschen. Die sind für mich auch irgendwie Punk, obwohl sie mit Punkrock nichts am Hut haben, verstehst du. Ich schaue mir die Menschen nicht danach an, aus welchen Lebensbedingungen sie kommen, welche Musik sie hören und all der Quatsch. Ehrlich müssen sie sein, aufrichtig. Das ist für mich ein Grundgedanke von Punk."
ZAP: Punk ist in Amerika demnach in einem ganz anderen sozialen Umfeld entstanden als in England, oder?
Jay: "Exakt. Punk ist für uns Spaß, ist "Peter Pan". In England war Punk, denke ich, eine sehr harte, bittere Sache, ein Aufstand der deprimierten Arbeiterklasse. Bei ihnen stand "fuck it" auf dem Banner, bei uns nicht. Wir waren wesentlich positiver. Wir waren keine Ausgestoßenen, keine Opfer der Gesellschaft, sondern wir alle waren, wenn ich ehrlich bin, richtige Streber. Und das sind wir heute noch - Streber. Wir wollten immer das Beste machen und das Beste aus uns rausholen. Wir haben uns nie unterkriegen lassen. Vielleicht haben wir deshalb diesen Erfolg. Schreibe das ruhig: BAD RELIGION sind Streber-Punks."
ZAP: Würdet lhr mit einer Band mit GUNS'N'ROSES auftreten, wenn lhr das Angebot hättet?
Jay: "Ach komm, so weit wird es doch nicht kommen. (Habe ich ja auch gar nicht behauptet; d.V.). Sicher ist, daß wir nie mit Rassiten und Sexisten auftreten würden. Rassismus ist ja nicht nur ein Problem in Deutschland. Solche dämlichen Bands findest du auch in England, in Amerika - wahrscheinlich überall. Was mich nur gewundert und schockiert hat, daß sie bei Euch so bekannt sind, von so vielen Leuten gehört wurden."
ZAP: Bands wie (...) haben das allerdings ganz fett der Presse und dem Fernsehen zu verdanken. Sie wurden dort so ausführlich mit einem heuschle-rischen "Boykottiert diese Musik" gefeatured, daß ieder Bauer, auch wenn er hinterm Mond um die Ecke wohnt, diese Kerle von einem Tag auf den anderen kannte.
Jay: "Genau. Dasselbe Problem, das wir auch in Amerika haben. Die Medien geben sich nur noch mit dem Terror ab, mit den Psychopathen, sie brauchen Horror-Stories. Niemand im Fernsehen berichtet über normale Bands wie uns, die Massenmedien interessieren sich einen Dreck um Strömungen in der Subkultur, aber wenn ein paar dahergelaufene Kranke mit provokanten Thesen kommen, stürzen sich die Kameras darauf. Die ganze Neonazi-Bewegung wurde zum Großteil durch die Presse gezüchtet."
ZAP: Ihr beschert uns Jahr für Jahr dieselbe Musik. Wenn mans nett meint, kann man sagen, BAD RELIGION sind eine Band, die ihren Stil gefunden hat. Böse ausgedrückt, müßte es heißen: Die klingen immer gleich. Habt lhr denn schon mit dem Gedanken gespielt, euren Stil zu verändern, andere Dinge auszuprobieren?
Jay: "Auf der neuen Platte ist "All Good Soldiers" drauf, ein sehr untypisches Stück für uns. (Naja, ein anderer Rhythmus, aber sonst die alte Sause; d.V.). Ich kann mir nicht vorstellen, daß wir je weiter gehen werden als mit "All Good Soldiers". Ich denke, es ist gut, ab und zu etwas anderes zu machen, zum Beispiel einen Song mit Slide-Gitarre einzuspielen. Aber das betrifft dann höchstens zwei oder drei Songs auf einer Platte. Der Rest wird immer unüberhörbar BAD RELIGION sein. Wir hatten einmal eine Platte, die aus dem Rahmen fiel - die Erfahrung, die wir damit gemacht haben, reicht."
Martin Büsser
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This young man is angry. Angry because of all the pain and injustice in the world today. Angry because of all the lies and hate and war and uh, um, yeah...lots of other really BAD things like that... He's angry bacause the band he's been in for the last 10 years only has ONE song. Angry because he's really not that "young" anymore and the average age of the people that come to his concerts is between 11 and 13. Angry because nobody liked "Into The Unknown " ...Ok ok that's enough. Sorry, just kidding...