Category: | Review - Internet | Publish date: | 1/1/2002 |
Source: | plattentests.de (Germany) | ||
Synopsis: |
The Process Of Belief
Brettspiele
Wohhhh-ohhh-wow, ahhhh-haaa. Chorgesänge dieser Art zerren normalerweise an den Nerven des geschmacksicher herangereiften Musikkonsumenten und sind ein Grund, die Platten solcher Bands, die irgendwann die Pubertät beschallten, im hintersten Eck des Musikaufbewahrungsmöbels zur Ruhe zu betten. Dann wendet man sich anderer, im Zweifel anspruchsvoller empfundener Musik zu und nimmt von den alten Helden keine Notiz mehr. Ein paar wenige Bands aber schaffen es, ihre Hörer und Hörerinnen trotz dieser musikalischen und persönlichen Entwicklungen an sich zu binden. Sie werden gemeinsam mit ihren Fans älter und weiser und begleiten auf diese Weise einen Teil einer bestimmten Generation - soweit die Theorie.
Bei Bad Religion liegt der Fall ein klein wenig anders: Dem neuen Album "The process of belief" hört man das Älterwerden in keiner Sekunde an. Frischer, aggressiver, eben irgendwie jünger als seine Vorgänger, wirkt das neue Werk der Klerikalpunkrocker. Ein Grund für diesen frischen Wind ist sicher die Rückkehr von "Mr. Brett" Gurewitz, denn Graffin/Gurewitz als Songwriterangabe bürgt eben für Qualität. Greg Graffin sagt zwar, daß ihm erst beim gemeinsamen Schreiben der neuen Songs aufgefallen sei, wie mühselig dieses Geschäft bei den letzten Alben allein gewesen sei. Da waren ihm die Fans einen Schritt voraus: Die haben ihren Mr. Brett als Gegenpart zum intellektuellen Dr. Greg doch schmerzlich vermißt.
Jetzt ist also wieder alles im Lot. Auch die vakante Stelle des Schlagzeugers wurde mit Brooks Wackerman (Ex-Suicidal Tendencies, Ex-Vandals) überaus passend besetzt. Und so geht "The process of belief" atemberaubend schnell los. "Supersonic" hat alles, was ein perfekter Bad Religion Song braucht: galoppierende Drums, schnelle Riffs, diese unwiderstehlichen Ahhhahhhahhh-Chöre und keine zwei Minuten Länge. Wer am Anfang des Albums aber glaubt, daß die Geschwindigkeitsmeßlatte schon hier auf höchstem Niveau liegt, sieht sich bei "Can't stop it" getäuscht. Das Gaspedal wird noch einmal so heftig runtergetreten, daß eine Delle im Bodenblech zurückbleibt.
"Broken" beschert dem Zuhörer dann eine ganz unerwartete Ruhepause: Mit akustischem Geklampfe in der Strophe, die eher an Singer/Songwriter-Kram denn an Punkrock gemahnt, hatte man hier nicht gerechnet. Und da eine Überraschung immer nur beim ersten Mal eine solche ist, spart man sich das Runterschalten für den Rest des Albums. Der ein oder andere Song fängt zwar trügerisch ruhig an, aber es dauert nie besonders lange, bis ein Finger das Griffbrett einer hochverzerrten E-Gitarre hinaufrutscht und diesen Klang erzeugt, der unmißverständlich klar macht, das jetzt - sofort! - schnell losgeknüppelt werden muß.
Die Rückkehr des BrettsTM als Frischzellenkur für Bad Religion zu bezeichnen wäre sicher falsch. Zum einen ist Herr Gurewitz ja selbst nicht mehr der Allerjüngste, zum anderen ist der Begriff der Eigenblutbehandlung in vielerlei Hinsicht passender. Leistungssteigernd wirkt es allemal, und solches Doping ist in der Musik zum Glück ja nicht verboten. Die Tatsache, daß die Band wieder bei Epitaph veröffentlicht tut dem rauhen Sound gut und damit ihr Übriges. "Brett is in heaven doing this", sagt Gitarrist Brian Baker, "This is the only band that he's been in. This is the only band Greg Graffin has been in. It's like this is what they were put on fucking Earth to do." I guess he's fucking right, auch wenn mir nicht klar ist, welcher Gott Interesse an Bad Religion haben sollte.
8 / 10
- Rüdiger Hofmann