Category: | Review - Internet | Publish date: | 1/1/2004 |
Source: | plattentests.de (Germany) | ||
Synopsis: |
The Empire Strikes First
Da weiß man, was man hat
Ein Moment der Verwirrung. Die "Overture" zum neuen Album von Bad Religion läßt für etwa eine Minute an Turbonegro denken, auch wenn dafür ein bißchen zu wenig Bombast erklingt. Dann aber, ohne auch nur einen Atemzug vorweg oder einen Auftakt zu benötigen, setzt der bekannte, beliebte und erwartete Männerchor in Breitwand-Cinemascope ein. Die klangliche Nähe zu Gregorianischen Gesängen straft den zweiten Teil des Bandnamens Lügen, das atemberaubende Tempo den ersten. "Sinister rouge" ist ein Bilderbuch-Opener. In Hochgeschwindigkeit knallen drei Gitarren dem hilflos ausgelieferten Zuhörer eine Riffsalve nach der anderen um die entzückten Ohren bis sich ein breites Grinsen einstellt. Ja, genau so klingen Bad Religion. Schnell. Laut. Melodisch und präzise.
Seien wir doch mal ehrlich: Alles andere wäre eine Enttäuschung gewesen. Die Revolution hat bei den Kaliforniern in den Texten stattzufinden, nicht in der Musik. Und an dieser Stelle ist es angebracht, das vielleicht einzige mögliche gute Wort über George W. Bush zu verlieren: Der Mann ist eine wirklich unerschöpfliche Inspirationsquelle und eine riesenhafte Angriffsfläche für die gesamte U.S.-amerikanische Punkrockszene. Zuerst noch in seiner augenscheinlichen Dümmlichkeit verlacht und für einen nie ganz aufgeklärten Wahlbetrug gehaßt, hat sich der Präsident in den letzten zwei Jahren zur Inkarnation des Bösen schlechthin gemausert. Ein Feindbild wie ein Kollosalgemälde. Brett Gurewitz und Greg Graffin wetzen die Messer. "The empire strikes first". "Let them eat war" (schon jetzt ein Hit, übrigens). Auf zum Schlachtfest.
Natürlich teilen Bad Religion auch in andere Richtungen aus. Kirche ("Atheist peace", "All there is"), Gesellschaft ("Social suicide") und Medien bekommen ihr Fett weg. In "Los Angeles is burning" wird die Perversion der sensationsgierigen Berichterstattung über die allsommerlichen Waldbrände in Kalifornien thematisiert. In Anbetracht eines fast lieblichen und ein wenig sehnsuchtsvoll klingenden Refrains kann man sich aber des Eindruckes nicht erwehren, daß die Band der Vorstellung der brennenden Stadt nicht auch einige positive Seiten abgewinnen könnte.
Ein alter Witz besagt, daß Bad Religion in ihrer ganzen Laufbahn nur zwei Songs geschrieben haben: den schnellen und den langsamen. Wer den einen davon nicht mag und den anderen verabscheut, wird auch "The empire strikes first" nicht nicht zu den zehn Alben für die einsame Insel erwählen. Wer hingegen nächtelang mit Freunden diskutieren kann, in welcher Reihenfolge "Suffer", "No control", "Generator" oder in der Top Five der besten Bad-Religion-Alben einzusortieren sind, kann diese Erörterungen künftig mit dem neuen Album beschallen. Und möglicherweise einen neuen Kandidaten mit auf die Liste nehmen.
7 / 10
- Rüdiger Hofmann