Category: | Interview - Magazine | Publish date: | 3/1/1998 |
Source: | Intro, no. 52, March 1998 (Germany) | With: | Greg Graffin |
Synopsis: |
Johnny Rotten
Greg, Mikrophonmensch und glücklich in der Rolle des klassischen Mastermind bei BAD RELIGION, weiß um all jenes. Trotzdem ist da immer noch diese Mission: "BAD RELIGION ist einzigartig. Bei uns geht es um intellektuelle Fragen, nicht so sehr darum, hip, cool oder fashionable zu sein. Es geht darum, Ideen durch Musik zu transportieren." Die alte Leier: Punk als Medium zur Provokation, natürlich kann ein Lied allein niemals die Welt verbessern, aber wenn man nur lange genug bohrt, wer weiß, eines Tages ... Daß BAD RELIGION es in dieser Hinsicht an Ausdauer vermissen ließen, kann nun wirklich nicht behauptet werden.
Immerhin bringt die Band dieser Tage zum x-ten Mal das altbekannte Album auf den Markt. Nein, alle Alben seiner Band hat selbst Greg noch nie in a row gehört, "schließlich schaue ich mir auch nicht alle Fotos, die von mir als Säugling geschossen wurden, hintereinander an." Und so, wie es wichtig ist, Neugeborene im Kreissaal umgehend zu beschriften, auf daß es ja nicht zu peinlichen Verwechslungen komme, spielt auch die Textierung der mit verzerrter Gitarre gespielten Kinderliedchen ("Oh, ich liebe Kinder!") eine wichtige Rolle bei BAD RELIGION - und zwar aus selbigem Grund. Doch wie man weiß, lassen sich Mütter ja unmöglich betuppen, die kennen ihre unter Schmerzen geborenen Pappenheimer schließlich. Und so ist Greg denn auch in der Lage, die mikrostrukturellen Entwicklungen seines eigen Fleisch und Bluts seit "Epitaph"-Tagen aufzudröseln: "Durch mein Studium [Greg erwirtschaftete bislang einen master's degree in Geologie und laboriert seit erdenklichen Zeiten an seiner Doktorarbeit] verstehe ich inzwischen die Welt in ihrem Innersten, weil ich ihre Geschichte kenne. Je älter ich werde, desto fundierter wird das, man könnte fast sagen, ich werde weise. Das hilft mir auch bei der Analyse von sozialen Zusammenhängen."
Und die stellen sich wie folgt dar: "Die meistgekaufte Platte aller Zeiten brachte es auf 22 Millionen verkaufte Einheiten oder so, Punk erreicht nicht ansatzweise solche Zahlen, OFFSPRING haben sechs Millionen verkauft." Und dann ist da ja auch noch das Problem mit den CD-Playern. "Insofern wäre es vermessen zu glauben, man könnte mit Musik etwas Meßbares erreichen, wo man doch noch nicht einmal alle Menschen erreicht." Es sei also logisch, sich an die Privilegierten zu richten: "Anders als meine Kollegen von den SEX PISTOLS versuchen wir nicht, nur in bezug auf Mode Einfluß auszuüben. Wir versuchen, über den Intellekt einen Effekt herzustellen." Warum also nicht Flugis oder gar Transpis malen, im Hyde Park reden oder das gottverdammte Buch schreiben? Natürlich, die Energie, ohne die geht ja bekanntlich nichts. Im Falle von BAD RELIGION ist das dann allerdings die Crux: Derer hat es nämlich keine. Allenthalben wird die time verschleppt ("Hear It"), die Drums poltern eine Polonaise, der Bass zieht die Löcher aus dem Käse: ein Bier mit Senf, aber der Schaum unten! Nein, daß das musikalische Material von BAD RELIGION munter zwischen Marschmusik, Schlager und Irish Folk oszilliert, ist noch nicht zur Kenntnis vorgedrungen: "Sehr interessant. Ich sehe es so: Nehmen wir 'Substance', den Titelsong. Oberflächlich betrachtet, ein Popsong. Nun geht es in dem Text aber gerade um diese Oberflächlichkeit, die sich namentlich in der amerikanischen Gesellschaft breitmacht. Ein produktives Spannungsverhältnis, wie ich finde. Was die angeführten Genres betrifft, ist ihnen doch eins gemeinsam: It brings the people together." Und wenn man BAD RELIGION nun den punky Sound nähme, was bliebe übrig? Singer/Songwriter-Romantik? "Ungefähr. Ich habe das mal auf 'American Legion' getan, einer Art Soloplatte. Ein Song geht ziemlich in die Richtung. Ich meine, ich schreibe die Songs auf der Akustischen ... Man kann die Songs darauf reduzieren. Ich mag das, das ist sehr direkt." Man reiche mir ein Lagerfeuer. Und einen Verein christlicher junger Menschen. Hava nagila.