Bad Religion - Interview with Greg Graffin
by Tito Wiesner

wasteofmind.de, February 2002

Sie haben es doch wieder geschafft, allen anders lautenden Prophezeiungen zum Trotz: Derzeit gibt es wohl kein irgendwie der Musik nahestehendes Magazin, das nicht über Bad Religion und die Rückkehr der Punkrock-Institution sprechen würde. Aber der mediale Overkill ist verdient, denn die Band aus Los Angeles hat mit The Process of Belief eine Platte vorgelegt, die auch ich als großer Fan ihr so nicht mehr zugetraut hätte, ein hartes, eingängiges, vor Energie und Aussage strotzendes Werk, das nach wegweisenden Scheiben wie Suffer oder Against The Grain wieder einen Meilenstein des Punkrock darstellt.

Dass Frontmann Greg Graffin eine interessante und beeindruckende Persönlichkeit ist steht außer Frage, das er aber auch zu den angenehmsten und diskussionsfreudigsten Gesprächspartnern im Musik-Business zählt, durfte ich im Interview im noblen Berliner Hotel am Potsdamer Platz ein mal mehr feststellen und ihn natürlich zur Rückkehr von Brett Gurewitz, aber auch den Jahren ohne ihn befragen :

Greg, Bad Religion gibt es mittlerweile seit über 20 Jahren, und fast genau so lange gebt ihr schon Interviews. Was sind die Fragen, die du mittlerweile nicht mehr hören kannst?

Wenn ich ganz ehrlich sein soll gibt es solche Fragen nicht. Weißt du, ich gebe gerne Interviews, denn da kommen Leute zu mir die mit mir über meine Musik und meine Texte reden wollen, die selber Ideen und Vorschläge haben und diskutieren möchten. Warum sollte mich da irgendwas nerven?

Nun ja, es gibt ja auch die Art von Künstlern die meinen dass ihr Werk für sich selbst spricht und sie nichts mehr erklären müssten.

Ja, solche Leute gibt es wirklich eine ganze Menge, aber ehrlich gesagt hab ich die nie verstanden. Ich will doch Input von außen bekommen, und da ist es wichtig, mit den Leuten zu sprechen.

Und da nervt es noch nicht mal wenn du schon wieder mal beantworten musst was der Bandname Bad Religion bedeutet?

Okay, du hast recht, die Frage kann ich wirklich nicht mehr hören. Aber ich denke dass ist wirklich die einzige.

Okay, kommen wir zur neuen Platte: Wenn ich ganz ehrlich sein soll bin ich der Meinung, dass sich Eure Platten seit Stranger Than Fiction kontinuierlich zum schlechteren hin entwickelt haben. Mit Process Of Belief hingegen scheint ihr wieder zu alter Stärke zurückgefunden zu haben...

Ja, ich sehe das ähnlich. Ich gebe ganz offen zu dass ich heute mit unseren letzten Alben auch nicht völlig glücklich bin. Stranger Than Fiction war noch eine sehr gute Platte, aber alles was danach kam kann mich heute auch nicht mehr voll überzeugen. Deswegen bin ich auch so glücklich mit unserer neuen Platte: Sie hat genau den Sound, den ich mir gewünscht habe, sie klingt ganz einfach so, wie Bad Religion klingen sollen.

Und was denkst du ist der Grund dafür, dass es jetzt wieder funktioniert?

Wenn Du mich fragst, was den letzten Bad Religion-Alben fehlt, ist die Antwort ganz einfach: Brett. Wir beide sind Songwriter, die nur zusammen wirklich gut funktionieren. Ich kann das nicht wirklich erklären, aber allein die Tatsache, dass Brett in der Zeit ohne Bad Religion praktisch so gut wie keinen Song geschrieben hat, spricht Bände. Er war einfach nicht in der Lage ohne mich irgendwas zu schreiben, er hat über Jahre hinweg keine Musik gemacht obwohl jeder weiß, wie viel ihm das bedeutet. Und deswegen ist es gut, dass wir wieder vereint sind. Denn wir ergänzen uns perfekt. Er ist aufgeschmissen ohne mich, und ich wohl auch ohne ihn.

Wie kam es zur Rückkehr von Brett? Und gab es in der Band Diskussionen darüber, ob er zurückkommen soll oder nicht?

Die anderen in der Band sind genauso glücklich darüber dass Brett wieder dabei ist wie ich. Ich habe in den Jahren ja nie wirklich den Kontakt zu ihm verloren, und vor einiger Zeit saßen wir halt mal wieder zusammen und ich habe ihn gefragt ob er nicht mit mir ein paar Songs schreiben will. Er hat zugestimmt, und ich glaube dass er schon sehr glücklich über dieses Angebot war. Danach ging alles von selber, es funktionierte alles so gut, als ob wir nie getrennt gewesen wären.

Bad Religion haben damit jetzt drei Gitarristen.....womöglich einer zu viel?

Nein, das ist kein Problem, im Gegenteil, man hat ja so auch eine ganze Menge neuer Möglichkeiten. Wenn es überhaupt eine Schwierigkeit mit sich bringt dann die, dass ich in Zukunft weniger Platz auf der Bühne haben werde. Aber ich denke, damit werde ich zurecht kommen.

Mit Bretts Rückkehr seit ihr auch zurück auf Epitaph, dem Label, dass ihr 1994 ja eigentlich verlassen hattet...

Es macht einfach sinn, wieder bei Epitaph zu sein. Es ist Bretts Label, und Brett macht einen Großteil von Bad Religion aus, also warum nicht auch wieder bei Epitaph veröffentlichen? Ich wurde schon gefragt, ob das ein Beweis dafür ist dass Bad Religion und Major-Label nicht funktionieren, aber das muss ich verneinen. Wir haben in der Zeit bei Atlantic viel gelernt. Man muss aber auch bedenken, dass damals, als wir Epitaph verlassen haben, gerade Mal eine Hand voll Leute da arbeiteten. Brett selber hat uns geraten zu wechseln. Heute ist Epitaph eine richtig große Firma geworden, die du mit dem Label von damals in vielen Punkten gar nicht mehr vergleichen kannst.

Du hast dich bestimmt auch schon oft gefragt, warum andere Punkbands wie Offspring, die es ohne euch wahrscheinlich nie gegeben hätte, den großen Durchbruch geschafft haben und ihr über einen gewissen Bekanntheitsgrad nie hinausgekommen seit, oder?

Ich weiß auch nicht genau woran es liegt, dass wir nie so populär geworden sind wie viele andere Punkbands. Einer der Gründe ist wahrscheinlich, dass wir sozusagen "philosophische Schwergewichte" sind. Unsere Texte sind nicht ganz einfach zu greifen, es steckt viel Gesellschaftskritik darin und vieles unangenehmes, worüber sich viele einfach keine Gedanken machen wollen. Und da denken sich dann zum Beispiel die meisten Radiosender, dass es wohl besser wäre so was nicht zu senden, schließlich will man seine Hörer ja nicht mit derart schwerem Material konfrontieren.

Da passen pubertäre Späße der Marke Blink 182 besser ins Programm...

Ja, die sind gerade textlich das genaue Gegenteil von uns - keine Schwergewichte, sondern ganz leichte, schwebende Federn.

Verbittert dieser Umstand mit der Zeit nicht ein bisschen?

Nein, wir haben uns damit abgefunden. Wir haben ja schließlich unsere Fans, die alles das mitverfolgen was wir machen, denen unsere Musik ungeheuer viel bedeutet. Diese Platte jetzt ist vor allem für die Fans, die uns so lange die Treue gehalten haben.

Im Song "Materialist" singst du die Textzeile "The process of belief is an elixir when you're weak. I must confess, at times I indulge it on the sneak". Gibt es also auch in deinem Leben schwache Momente, wo man doch an etwas glauben möchte, in denen die Religion oder etwas ähnliches Hoffnung gibt?

Ja, ich denke jeder hat diese Momente wo man sich nicht so ganz sicher darüber ist ob alles, was man denkt und sagt, wirklich der Wahrheit entspricht. Wobei ich noch mal betonen muss dass wir nie konkret gegen Religionen oder die Kirche waren, sondern nur gegen das, was sie anrichten können. Und, vergiss nicht, die Textezeile geht weiter mit den Worten "But generally my outlook's not so bleak".

Mit Sorrow habt ihr wieder einen Song auf der Platte, die mich von der Stimmung und vom Text her an andere Titel wie Slumber oder Pity The Dead erinnern - Songs, die eigentlich sehr negativ sind, deren Wirkung zumindest auf mich aber trotzdem mehr als positiv ist.

Ich weiß was Du meinst, aber ich muss ganz ehrlich sagen, alle drei Songs die du gerade erwähnt hast sind meiner Meinung nach äußerst positive Songs...

...aber in Slumber gibt es unter anderem die Textzeile "if life makes you scared and bitter, at least it's not for very long". Klar, da geht es darum das Selbstmord nichts bringt, aber wirklich positiv ist diese Lebenseinstellung doch auch nicht, oder?

Nun ja, du hast recht - es geht darum, dass es sinnlos ist Selbstmord zu begehen, das man sich dem ganzen stellen soll. Und wenn es das dann doch nicht wert war - sterben muss man sowieso, da sollte man vorher zumindest probieren, ob sich das Leben nicht doch lohnt. Deshalb ist es für mich ein positiver Text.

Gut, das ist ja genau das was ich meinte - negative Worte, aber eine positive Wirkung.

Ja, wenn wir das erreichen ist das für mich wirklich eine schöne Sache.

Wie geht es mit Bad Religion jetzt weiter? Wie lange werdet ihr touren, und wird Brett dabei sein? Und Gibt es schon Pläne für die nächste Platte?

Wir haben so viele Ideen dass ich es jetzt schon kaum abwarten kann neue Songs zu schreiben. Wir werden natürlich zuerst ausführlich auf Tour gehen, aber ich merke einfach dass wir so viel Elan haben dass es wohl nicht lange dauern wird bis wieder was im Kasten ist. Zunächst werden wir aber einige Monate touren, und Brett wird sicherlich schon aus Zeitgründen längst nicht bei allen Shows, aber doch schon bei einer ganzen Menge dabei sein.

Okay, ich bedanke mich für das Gespräch!