Category: | Review - Internet | Publish date: | 1/28/2013 |
Source: | mephisto 97.6 - Das Lokalradio der Universität Leipzig (Germany) | ||
Synopsis: |
True North
Die kalifornische Punkband Bad Religion startet in das Jahr 2013 mit einem neuen Studioalbum. Es ist mittlerweile ihre 16. Platte und was der Hörer da so erwarten kann, weiß Musikredakteurin Anne Horn. Mehr dazu lesen Sie hier.
„Waaaas, die gibt es noch?“
So in etwa hörte sich der Großteil der Reaktionen an, als ich sagte: „Bad Religion bringen ein neues Album heraus!“ Ja, liebe Freunde, es gibt sie noch. Aber wem kann man die Frage schon verübeln? Mittlerweile existiert die Combo ja auch schon etwas mehr als 30 Jahre und dürfte damit wohl auch zu der Spitze der am längsten amtierenden Punkbands gehören. Von den vier ursprünglichen Gründungsmitgliedern sind heute immerhin noch drei dabei: Greg Graffin am Mic, Brett Gurewitz an der Lead-Gitarre und Jay Bentley am Bass. Über die Jahre sind dann noch die Gitarristen Greg Hetson und Brian Baker dazugestoßen. Seit 2001 sitzt Brooks Wakermann an den Drums bei Bad Religion.
Mit erhobenem Zeigefinger
Bei Bad Religion kommen einem unweigerlich die großartigen Titel American Jesus, Sorrow oder You in den Sinn. Zu verantworten haben die meisten Songs Greg Graffin und Brett Gurewitz. Sie legen damit den Finger auf die Wunden unserer Zeit und prangern Missstände offen an. Mit ihrem neuen Album True North zeigen die gestandenen Herren von Bad Religion wieder einmal ihren ausgeklügelten Feinsinn für das Songwriting. Entgegen der häufig aufkommenden Kritik, die Band habe seit ihrer Gründung keinen anderen Gitarrenriff mehr für sich entdeckt, ändern sich auf True North hier und da sehr wohl Tempo, Akkordfolge und Gesangsmelodie. So steigt der Opener und Titeltrack des Albums True North unerbittlich schnell ein und die ersten Powerchords lassen nicht lange auf sich warten. Der Opener erweckt große Erwartungen bei dem Hörer. Der Titel erinnert an die älteren Songs der Band und an den melodiösen Punkrock, den man von der Gruppe um Greg Graffin eben kennt. In Rhythmus, Punk und harten Riffs hüllt sich der starke Text des Openers:
I can't see the rationality.
The world's not my responsibility.
And happiness isn't there for me,
But maybe I'll inch closer to the source
When I find true north
Weiter geht es mit dem Song Past Is Dead. Eingeleitet von einem monotonen, schwermütigen Gitarrenriff, steigt kurz darauf Fronter Graffin mit einem melancholischen Singsang ein. Es klingt soweit nicht schlecht, aber wo ist die Power von dem Vorgänger? Da spielt jemand deutlich mit den Erwartungen seines Hörers. Nach etwa 40 Sekunden folgt auf die bedeutungsschwangeren Worte „And the past is dead“ eine Pause. Wie passend zur Textzeile. Doch was kommt jetzt? Jetzt kann spekuliert werden, ob es nicht sogar die Intention des Songwriters war, an dieser Stelle bei dem Hörer eben genau diese Frage aufkommen zu lassen. Jedenfalls passt die Frage ganz gut zur Thematik.
Aber wie lautet nun die Antwort bezüglich des Songs?
Die Floskel „Ruhe vor dem Sturm“ beschreibt ganz gut, was auf die bedeutungsvolle Ruhepause folgt. Die Gitarristen Gurewitz, Hetson und Baker hauen ordentlich in die Saiten. Drummer Wakermann tut sein Übriges und Graffins eingangs melancholisch gefärbte Stimme klingt nun wieder kratzig, kalt und abgeklärt.
Weiter geht es mit dem nächsten Song der Platte, der den interessanten Titel Robin Hood In Reverse trägt. Der Track kann die Pause des vorangegangenen Stücks locker wieder aufholen. Bei dem weiteren Durchhören des Albums präsentieren sich weitere Prachtstücke. So etwa der Song Fuck You, der wie eine Bad Religion Hymne aus alten Zeiten klingt. Die Band hat bereits mit dem Opener absolut überzeugen können, doch spätestens bei Fuck You ist absolutes Ausrasten angesagt. Weise singen Graffin und die Back Vocals darin:
If the impulse is right you might get in a fight
Even though you can't hold your ground
But all rest assured, sometimes just a word
Is the most satisfying sound
Wie wahr, wie wahr. Der ein oder andere Konzertbesucher wird bei diesen Zeilen sicherlich nicken. Zügig geht es weiter auf dem Album. Zeit zum Luftholen hat der Hörer wieder bei dem balladenartigen Titel Hello Cruel World. Im Vergleich zu den anderen Songs wirkt er recht sanft; und das bei einem so schwer verdaulichen Text.
In Their Hearts Is Right lädt mit dem Singalong „Everybody, everybody, everybody knows“ zum Mitsingen ein. An dieser Stelle sollte nun klar sein: Mit jedem weiteren Song auf der Platte wird deutlicher, dass die Band unerwartet abwechslungsreich sein kann, ohne dabei unnötig am Sound herumzuexperimentieren.
Mit Fullspeed auf der Zielgeraden
Bad Religion wissen, wohin sie mit ihren Texten wollen. Entsprechend kurz fallen die Songs aus. Sie sind auf den Punkt gebracht und kommen inhaltlich und musikalisch schnell zur Sache. Nur ein einziger Song auf der Platte erreicht eine Dauer, die die Drei-Minuten-Marke knackt. Die restlichen fünfzehn Werke bewegen sich zwischen ein und zweieinhalb Minuten. Zumindest in meiner Plattensammlung stellen Bad Religion damit einen Rekord auf, was die Kurzweiligkeit ihrer Songs angeht. 16 Songs in einer halben Stunde hat bei mir noch kein anderes Album geschafft.
Anspieltipps: True North, Past is Dead, Fuck You, Hello Cruel World, In Their Hearts is Right
- Anne Horn